Natur & Umwelt Politik

Kommentar: Industrie führt zu Green Deals

Das Land hat das größere Übel eines unrealistischen ProBiene-Gesetzes abgewendet mit einem kleineren Übel. Der große Kompromiss bahnt sich über das Biodiversitätsstärkungsgesetz den Weg zur Realität.

Die Landesregierung wähnt sich schon in der europäischen und nationalen Vorreiterrolle wie früher bei SchALVO und MEKA. Viele fragen sich: Warum soll die Landwirtschaft froh sein über solche Kompromisse, neudeutsch „Green Deals“? Die Landwirtschaft findet sich in einem Schraubstock wieder, eingezwängt zwischen harten Marktbedingungen und nicht entlohnten, hohen Auflagen. Sie ist nicht wirklich industriell geprägt, wie manche es weismachen wollen. Vielmehr ist die Situation der Landwirtschaft vom Industriestaat geprägt. Folgenreich ist die längst erfolgte Weichenstellung der Politik, Exportinteressen der Industrie zu wahren. Die Außengrenzen für Ernährungsgüter werden auf Wunsch der Industrie immer durchlässiger. 70 Jahre volle Regale haben vergessen gemacht, dass im Krisenfall eine regionale Grundversorgung vielleicht wichtiger wäre. Abgeschottete landwirtschaftliche Märkte, die auskömmliche Preise für eine Vielzahl von Bauernfamilien ermöglichen, sind passé. Ernährung wird heute billig ermöglicht − und die Ernährungssicherung läuft global. Der Industriestaat ist erfolgreich. Dem Volk geht es wirtschaftlich gut. Man könnte sogar meinen: zu gut. Erdung geht verloren. Abgehobene Wünsche und Ansprüche kommen auf bei einer städtisch geprägten Bevölkerung. Wie sonst könnten Demeter-Imker und Naturschutzverbände drohen, mit einem Volksbegehren mal eben 770000 Unterschriften einzusammeln, das für landwirtschaftliche Betriebe in ganzen Landstrichen das Aus bedeutet hätte? Der Industriestaat befördert eine zunehmende Entfremdung der Bevölkerung von der landwirtschaftlichen Praxis. Der laufende Strukturwandel in der Landwirtschaft kappt traditionelle Verbindungen zur Bevölkerung und verringert daneben das gesellschaftliche Gewicht des Berufsstandes. Veränderungen lassen sich nicht verhindern. Ein Green-Deal hat sich in Brüssel und Berlin wie eine behäbige Walze in Bewegung gesetzt. Am Steuer der Walze zu drehen und Veränderungen mitzugestalten, fällt dem Berufsstand zwar nicht leicht. Erlauben kann er es sich aber nicht, die Walze zu ignorieren. Zu leicht könnte sie alles niederwalzen. Es ist aktuell nicht absehbar, ob das Land eine Blaupause für das Agrarpaket der Bundesregierung und den Green Deel der EU-Kommission geliefert hat. Schon morgen könnten die nächsten Aktivisten aufstehen und der Regierung mit einem neuen Volksbegehren Beine machen.

Hubert God