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„Die Gutachteritis hat zugenommen“

Zwei Betriebe in Bernau haben BLHV-Präsident Bernhard Bolkart und  Regierungspräsident Carsten Gabbert vergangene Woche gemeinsam besichtigt. Diskutiert wurde über Stallbau, Rindfleischvermarktung und den Wolf. 

In kleiner Runde vor Ort  lassen sich am besten Themen bei der Verwaltung anbringen, so die Erfahrung von Bernhard Bolkart. „Und das haben auch diese zwei Besuche heute wieder gezeigt“, zog der BLHV-Präsident ein zufriedenes Fazit. Während die rund 20-köpfige Gruppe mit Vertretern von Kommunen, des Handels und der Verwaltung bei Johannes Wasmer begreifen konnte, dass ein Nebenerwerbslandwirt keinen Nerv für viel Papierkram hat, gab es bei seinem Berufskollegen Markus Kaiser einen Grundkurs zur Rindfleischvermarktung in großem Stil. Bolkarts Tipp auf Nachfrage des Regierungspräsidenten über künftige Themen für das Biosphärengebiet Schwarzwald lautete: sich um die Schlachtstrukturen im Gebiet kümmern.

Kaiser und Wasmer sind Mitglieder der Erzeugergemeinschaft Schwarzwald Bio-Weiderind (EZG). Der Vollzeit als Zimmermann arbeitende Wasmer hält 40 Rinder, bei Kaiser sind es 270 Stück. Damit ist er einer der vier großen Betriebe der EZG und gleichzeitig deren Vorsitzender, während für Wasmer die EZG eine Ergänzung beim Vermarkten ist. Den Löwenanteil seines Fleisches setzt er nach der Schlachtung in einem kleinen Schlachthaus in Dachsberg direkt ab, an Wirte und in Zehn-Kilo-Paketen an Endverbraucher.

Wasmer hält als Muttertiere reinrassige Hinterwälder- und Pinzgauer-Kühe, die er mit Limousin kreuzt. Er versteht nicht, dass er für seine Hinterwälder-Kühe über das FAKT II-Programm ab 2026 statt 140 Euro pro Tier nun 160 Euro bekommt, Hinterwälder-Milchkühe aber mit 600 Euro statt bisher 400 Euro gefördert werden. Mutterkuhhalter seien doch auch wichtig für die Erhaltung der Rasse, sagte der 30-jährige, der dieses Jahr den Betrieb übernommen hat.

Unverständlich ist für ihn auch, dass jetzt wegen einer ins Auge gefassten Erweiterung seines Stalles um fünf Meter möglicherweise wieder ein Gutachten in Sachen FFH-Ausgleichsfläche nötig ist. „Die Gutachteritis hat zugenommen“, sagte dazu Michael Krumm, Abteilungspräsident Landwirtschaft beim Regierungspräsidium. 

Bei Markus Kaiser konnten die Besucher erfahren, wieso die EZG mit 2024 über 2000 vermarkteten Tieren erfolgreich ist –  derzeit übrigens bundesweit Preisführer mit 7,70 Euro pro Kilogramm. Zentraler Schritt beim Wachstum sei die zehnjährige Abnahmegarantie der Edeka Südwest  2005 gewesen, in Verbindung mit der Investitionen der Firma Färber in den Schlachthöfen Freiburg und Waldshut. Auch den Umstieg von Mutterkuh- auf Ammenkuhhaltung und die Ganztiervermarktung in der Hausküche der Schmidts Märkte stellte Kaiser heraus. „Man muss die Mitglieder auffordern, Tiere zu liefern“, so eine seiner Überzeugungen. Eine Andienungspflicht für die 180 liefernden Mitgliedsbetriebe gebe es nicht, auf jeder Rechnung stehe der Name des Landwirts und die Angestellten in der Geschäftsstelle seien allesamt auf Erfolgsbasis angestellt, nannte er  weitere Erfolgsfaktoren.

Regierungspräsident Carsten Gabbert (links) war beeindruckt von dem mit viel Eigenleistung erstellten Tiefstreustall für 15 Mutterkühe, den Johannes Wassmer unter Mithilfe der ganzen Familie bewirtschaftet.

„Wir brauchen Viehdruck auf der Fläche und Partnerschaften mit Betrieben in Ackerbaugebieten, wo  Tiere mit Winter stehen können“, so Kaisers Ausblick. Es müssten möglichst viele Kälber aus Milchviehhaltung über EZG-Betriebe gemästet und vermarktet werden. Aktuell seien es 500 jährlich, Ziel seien 1000 Stück. 

Aktuell laufe es gut, berichtete Edeka Südwest-Vorstand Jürgen Mäder aus Abnehmerperspektive. Während der Rindfleischverbrauch insgesamt aufgrund des hohen Preisniveaus rückläufig sei – außer bei Hackfleisch –, gebe es beim Weiderind keinen Absatzrückgang: „Wir könnten mehr Tiere gebrauchen“, sagte er.  

Ein positives Zwischenfazit wurde zur Halbzeit des Herdenschutz-Projektes von BLHV und Naturpark  gezogen. Man sei beim Thema Wolf in einem Prozess, der gut laufe, sagte Bernhard Bolkart.  Herdenschutz-Beratung mit Stallgeruch sei der richtige Weg. Die  Hardcore-Fraktionen seien auf beiden Seiten kleiner geworden.

„Pragmatismus brauchen wir“, sagte Herdenschutz-Berater Simon Zimmermann. Er propagiert einen modular aufgebauten Herdenschutz. In erster Linie seien Kälber gefährdet. Nicht überall mache ein Festzaun Sinn. Er beobachtet verschiedene Standards bei den Zaunbauern.  Aktuell gehe es um den Baustein Mehrkosten für Durchgänge bei Loipen. Dafür habe die Gemeinde Bernau einen Antrag laufen. Der „Zuzug“ sei gering, der jüngste Riss bei Rindern war im Oktober 2023. Der Schluchsee-Wolf falle keine Rinder mehr an. „Möglicherweise hat er mal von einem Rind auf die Schnauze bekommen“, so Zimmermann.

Das Projekt sei ein Sparringspartner für das Umweltministerium, sagte Naturpark-Geschäftsführer Roland Schöttle. Die Offenheit der 15 beteiligten Landwirte sei Vorschuss gegenüber der Gesellschaft. 

René Bossert

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