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Agrarpolitik im Umbruch

Degression, Kappung und Ende der Säulenpolitik – welche konkreten Auswirkungen hätten die vorgestellten Pläne der EU-Kommission auf die Landwirtschaft? BLHV-Referent Patrik Heizmann hat die Vorschläge untersucht.

Die am 16. Juli vorgestellten Vorschläge zur Ausgestaltung des mehrjährigen Finanzrahmens und der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2028 stellen einen ersten Aufschlag zu einem nun folgenden mehrjährigen Verhandlungsmarathon dar. Endgültige Ergebnisse dieser Verhandlungen werden voraussichtlich erst ab Juli 2027 zu erwarten sein.

Die Kommissionsvorschläge sehen tiefgreifende strukturelle Veränderungen vor, die teilweise konträr zu den Vorstellungen des EU-Parlaments und vieler Mitgliedstaaten stehen. Es ist also zu erwarten, dass die anstehenden Diskussionen sehr intensiv geführt werden. Doch welche Auswirkungen hätten die genannten Vorschläge konkret?

Zunächst würde die GAP nicht mehr aus einem eigens dafür vorgesehenen Fonds gespeist. Der neue Fördertopf stünde weiteren Bereichen offen. Auch wenn die Mittel für die Landwirtschaft zweckgebunden sind, besteht die Gefahr, dass Gelder in andere Förderbereiche abfließen. Zudem soll das GAP-Budget um rund 80 Milliarden Euro auf 302 Mrd. Euro gekürzt werden. Es stünden demzufolge ungefähr 21 Prozent weniger Mittel zur Verfügung. Die bewährte Zwei-Säulen-Struktur der GAP mit dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL, 1. Säule) und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER, 2. Säule) würde aufgehoben.

Nicht alle bisherigen Programme zur ländlichen Entwicklung müssen angeboten werden – das LEADER-Programm hingegen ist verpflichtend anzubieten. Über die Aufteilung der Gelder können die Mitgliedstaaten weitgehend allein entscheiden. Einkommensstützende Zahlungen sind zu 100 Prozent EU-finanziert, andere Zahlungen werden maximal zu  70 Prozent kofinanziert, was einer Reduktion von 10 Prozentpunkten entspricht. Ob bei reduzierter EU-Kofinanzierung ein üppiges Angebot an Agrarumweltmaßnahmen angeboten werden kann, liegt dann an der Finanzstärke einzelner Länder.

Nationale und regionale Partnerschaftspläne, die neben der GAP auch weitere Politikbereiche beinhalten, sollen die bisherigen GAP-Strategiepläne ersetzen. Innerhalb dieser Pläne werden Reformen mit den einzelnen Mitgliedstaaten verhandelt. Gelder sollen erst fließen, wenn die Mitgliedstaaten vorher fest vereinbarte Zwischenschritte bei der Umsetzung dieser Reformen erreicht haben.

Die europäischen Bauernverbände kritisieren scharf, dass die Verwendung der EU-Gelder kaum noch klar nachvollzogen werden könne. Im Allgemeinen droht durch die hohe Autonomie der Mitgliedstaaten die Einheitlichkeit der Gemeinsamen Agrarpolitik zu bröckeln.

Auch die Vorschläge von Kommissar Hansen zur künftigen GAP greifen tief in bisherige Strukturen ein. Der Vorschlag sieht auch vor, die flächenbezogenen Direktzahlungen bereits ab 20000 Euro um 25 Prozent zu kappen. In weiteren Schritten soll jeweils um ein Viertel gekürzt werden, bis ab 100000 Euro keine weiteren Direktzahlungen mehr fließen dürfen. Der Verordnungsentwurf sieht eine Untergrenze von 130 € je Hektar und eine Obergrenze von maximal 240 € je Hektar für flächenbezogene Direktzahlungen vor. Demzufolge würden Betriebe frühestens ab 83 ha, spätestens ab einer Größe von 154 ha bewirtschafteter Fläche Opfer der ersten Degressionsstufe. Erste Spekulationen ließen eine deutlich geringe Flächenprämie befürchten. Mit der einzuführenden Degression und Kappung würde jedoch auch das Hauptargument für die Förderung der ersten Hektare entfallen. Im Entwurf ist diese Förderung nicht vorgesehen.

Förderberechtigt sollen alle Landbewirtschaftenden sein, die ein durch die Mitgliedstaaten festzulegendes Mindestmaß zur Ernährungssicherung beitragen. Die angedachte Kleinerzeugerregelung sieht bis zu 3000 Euro für Kleinbauern vor.

Besonderes Augenmerk soll auf die Förderung junger Landwirte gelegt werden. Hierfür sieht die Kommission eine auf 85 Prozent erhöhte Kofinanzierung vor. Gleichzeitig sollen Landwirte ab dem Jahr 2032 keine Unterstützung mehr erhalten, sobald sie das jeweilige gesetzliche Renteneintrittsalter erreicht haben und eine Altersrente beziehen.

Die grüne Architektur soll durch die sogenannte „farm stewardship“ ersetzt werden. Die Zahlungen sollen dadurch an gewisse Grundanforderungen gekoppelt bleiben, die sich an der EU-Gesetzgebung orientieren. Die ungeliebten GLÖZ-Standards werden durch sogenannte „protective practices“ ersetzt. Mit diesen „Schutzpraktiken“ will man ein Mindestmaß verbindlicher Umwelt-, Klima- und Sozialstandards umsetzen. Den Mitgliedstaaten soll dabei die Möglichkeit eingeräumt werden, die Auflagen an regionale Gegebenheiten anzupassen.

Wie sich dies auf die Produktionskosten in den einzelnen Mitgliedstaaten auswirkt, bleibt zu beobachten.

Weiteren Fokus möchte man auf die Unterstützung der ökologischen Produktion und der extensiven Landbewirtschaftung legen. Zudem sollen Einkommensverluste durch gesetzliche Auflagen mit GAP-Mitteln ausgeglichen werden. Aus Sicht der Bauernverbände ist diesem Vorschlag eine Absage zu erteilen.

Angesichts stark divergierender Interessen von Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten ist damit zu rechnen, dass über alle Positionen verhandelt wird. Die europäischen Bauernverbände werden mit Nachdruck ihre Anliegen einbringen. Eine Erhöhung des Agrarbudgets zu erreichen bei allgemein klammen Kassen und sonstigen gewachsenen Anforderungen an die EU scheint trotz aller Notwendigkeit eine wahre Herkulesaufgabe zu sein.

Patrik Heitzmann

Marathon

Der Kommissionsvorschlag muss noch von den Mitlgiedstaaten und dem Europaparlament angenommen werden. Unter den EU-Mitgliedstaaten ist Einstimmigkeit erforderlich.

Da sowohl die Bundesregierung als auch andere EU-Agrarminister den Kommissionsentwurf ablehnen und das Parlament ebenfalls scharfe Kritik übt, muss von einem langen, zweijährigen Verhandlungsmarathon ausgegangen werden. Ein endgültiger Entschluss muss im Juli 2027 fallen.

Padraig Elsner

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