Weidezäune mit mehreren Litzen gelten bislang als das Nonplusultra im Herdenschutz. Nicht immer lässt das Gelände sie zu. Die Weidegemeinschaft Erlenbach testet mit wissenschaftlicher Begleitung die Vorweide als wirkungsvolle Managementmaßnahme gegen Wolfsangriffe.
Wenn aufwendige wolfsabweisende Maßnahmen wie Weidezäune oder Herdenschutzhunde aufgrund der Lage, Geländeverhältnisse oder von Nutzungskonflikten mit dem Natursport oder Tourismus keine Option für die wirkungsvolle Abwehr sind, brauchen Weidetierhalter Managementlösungen. Es gilt eine Antwort auf die Frage zu finden: „Wie schaffen wir es, wehrhafte Herden zusammenzustellen?“ Während abwehrbereite, erfahrene Alttiere in Jungviehherden bereits wirkungsvoll zum Herdenschutz beitragen können, stellen Rinderherden mit Tieren aus verschiedenen Herkünften auf Gemeinschaftsweiden andere Anforderungen. Um die Wehrhaftigkeit solcher Herden zu fördern, testen die Weidegemeinschaft Erlenbach und eine weitere Weidegemeinschaft im Münstertal, wissenschaftlich begleitet durch die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) in Freiburg und das Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Radolfzell, die kompakte Herdenführung. Praktiker bezeichnen sie auch als Vorweide.
Jeweils zwei Gruppen mit und ohne Vorweide liefern das nötige Datenmaterial, um die Wirksamkeit der Maßnahme zu belegen. Mitte Juli haben der BLHV mit Präsident Bernhard Bolkart, die Mitglieder der Weidegemeinschaft Erlenbach, Wissenschaftler und weitere Projektpartner der Presse diese Managementmaßnahme im Weidegebiet auf rund 1100 Höhenmetern zwischen Feldberg und Schauinsland vorgestellt.
Angestoßen hat das Projekt der sogenannte ‚Schluchsee-Rüde‘ GW1129m durch seine Rinderrisse“, erklärte Ronja Schütz von der FVA zur Einführung. Daraufhin wurde 2023 in Baden-Württemberg der zumutbare Herdenschutz bei Rindern definiert. An der Ausgestaltung dieses Konzepts und der damit zusammenhängenden Förderung haben neben FVA und dem Umweltministerium auch das Landwirtschaftliche Zentrum Baden-Württemberg (LAZBW) sowie Mitglieder des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV), der Erzeugergemeinschaft Schwarzwald Bio-Weiderind (EZG) und weitere Praktiker mitgewirkt. „Das Herdenschutzprojekt Südschwarzwald hat Halbzeit“, erklärte die Projektkoordinatorin Rebecca Müller.
Bis zu den Rissen von Rindern gingen Fachleute und Tierhalter auch im Südschwarzwald davon aus, dass Einzelwölfe nur in Ausnahmefällen Großtiere angreifen und sich eher an Schafe und Ziegen halten. Seither konnten jedoch immer wieder nervöse Rinderherden oder Ausbrüche von Tieren verzeichnet werden. Einzeltiere und lose Tierverbände auf großer Fläche sind einem höheren Risiko ausgesetzt, von einem oder mehreren Wölfen angegriffen zu werden. Die kompakte Herdenführung oder Vorweide ist eine Möglichkeit, gezielt Einfluss auf das Herdenverhalten zu nehmen. Der Grundgedanke ist, Rinder durch äußere Bedingungen zur Bildung eines festen Herdenverbandes zu veranlassen, der sich gemeinsam bei einem Angriff verteidigt: Teambuilding für Weiderinder.
Die kompakte Herdenführung gilt in Baden-Württemberg als zumutbarer Herdenschutz bei Rindern. Hierfür kommen Tiere aus unterschiedlichen Herkünften für die ersten drei Weidetage auf engem Raum zusammen. Kalkuliert wird mit einer Weidefläche von 100 m2/Tier. In diesem Zeitraum bildet sich eine Rangordnung, die erfahrungsgemäß über die Weidezeit stabil bleibt.
Um den Erfolg dieser Maßnahme zu messen, begleitet Jens Koblitz vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Radolfzell das Projekt. Die dort Forschenden tragen aus Icarus, einer internationalen Kooperation zur Beobachtung von Tieren aus dem Weltraum, mit Erfahrung und technischem Know-how bei. Mithilfe eines satellitengestützten Beobachtungssystems erforschen sie das Wanderungsverhalten von Tieren. In diesem Fall hat Koblitz die Tiere der zwei Weidegemeinschaften im Südschwarzwald besendert. Im Gebiet rund um die Erlenbacher Hütte tragen 85 von insgesamt 90 Tieren ein GPS-Halsband. Im Münstertal sind weitere 48 von insgesamt 62 Tieren mit einem GPS-Sender ausgestattet. Dieser funkt alle zehn Minuten den Standort der einzelnen Tiere an den Datenspeicher. Die Tiere der Weidegemeinschaft Erlenbach wurden am 23. Mai besendert. Seither hat der Wissenschaftler 60’000 Datenpunkte erhalten.
Anhand der Daten wollen die Wissenschaftler die Effekte der Gruppenzusammenführung sichtbar darstellen. Ergebnisse der Studie liegen jedoch noch nicht vor. Die Forscher untersuchen die Bewegungsmuster der Tiere und die Flächenbelegung. Die teilnehmenden Tierhalter – die Weidegemeinschaft Erlenbach hat sechs Mitglieder, insgesamt zehn Betriebe beschicken die Gemeinschaftsweide – erhalten die Livestandorte für jedes mit Sender versehene Tier über eine App auf ihr Handy.
Tobias Winterhalter aus Oberried ist Mitglied der Weidegemeinschaft Erlenbach. Im Tal hat er einen Betrieb mit 100 Milchkühen und Nachzucht. Den Sommer verbringen seine Rinder mit einem Bullen auf den Hochweiden. Er demonstriert auf seinem Mobiltelefon, wie einfach er den aktuellen Standort einzelner Tiere ermitteln kann. Im Hintergrund ist aus Google Maps ein Luftbild mit den sichtbaren Geländeelementen hinterlegt. Die App zeigt das Bewegungsprofil einzelner Tiere oder der ganzen Herde. „Es ist spannend zu beobachten, dass die Tiere manche Zonen in den Randbereichen der Weide offensichtlich meiden“, zeigt er die freien grünen Stellen im Wirrwarr blauer Laufspuren auf dem Display. Man könne auch beobachten, dass die Rinder tagsüber gerne gemeinsam in der Gruppe unterwegs seien, sich nachts aber weit versprengt voneinander aufhielten.
Der Tierhalter gibt zu bedenken, dass Wölfe ein sehr individuelles Jagdverhalten haben und nicht jede Schutzmaßnahme zu jedem Wolf passt. Das bestätigte auch Ronja Schütz. Während drei der vier in Baden-Württemberg residenten Wölfe – das jüngste Territorium hat ein Rüde auf der Ost-Baar bei Donaueschingen besetzt – zumeist Wildtiere jagten, gingen alleine auf das Konto des Wolfs im Nordschwarzwald 140 Nutztierrisse in den vergangenen zehn Jahren.
Wie aufwendig der Bau wolfsabweisender Zäune ist, zeigte Simon Zimmermann am mobilen Elektrozaun der Kontrollgruppe ohne Vorweide. Im strömenden Regen brachte dieser lediglich 2000 Volt Spannung auf die Litze. „Für die Hütesicherheit ist das ausreichend, aber einen Wolf hält er so nicht ab“, erklärte der Tierhalter und Herdenschutzfachmann. Dazu würde selbst bei diesem gut ausgemähten Zaun zu viel feuchte Vegetation den Strom ableiten.
Herausforderungen seien auch Waldränder, weil Gehölze regelmäßig in den Zaun wüchsen und nicht überall mit Maschinen gemäht werden könne. Manchmal müsse der Tierhalter da auch mit der Astschere ran, so Zimmermann. Er gab zu bedenken, dass die 20 cm vom Boden bis zur ersten Litze regelmäßig freigemäht werden müssen. In den Höhenlagen kann das vier- bis sechsmal in der Weidesaison zwischen Mai und Oktober notwendig werden, in den wüchsigen Tallagen auch acht- bis zehnmal erforderlich sein. Der Arbeitsaufwand sei immens und von den Weidehaltern kaum leistbar, die ihre Tierhaltung häufig noch im Nebenerwerb oder als Hobby betrieben. Gerade im Mittleren und Südschwarzwald seien einfache Litzenlängen von bis zu 1400 m keine Seltenheit.
Die Vorweide erscheint bislang als sinnvolle und tragfähige Maßnahme für die Regionen, wo die Zäunbarkeit nur unter größten Schwierigkeiten möglich ist. Hierzu zählen die Gegenden mit flachgründigen Böden und nahe anstehendem Deckgebirge, stark vernässte Flächen, die Zaunpfählen keine Standfestigkeit bieten, und vor allem steile Lawinengebiete. Würde das Gras dort unreguliert wachsen, hätte das einen Rutschbahneffekt, gab der für die Wolfsthematik zuständige BLHV-Referent Lukas Schaudel zu bedenken. Die Teilnehmer warten mit Spannung auf die Auswertung der Daten. Das Projekt endet im Jahr 2027.
Ulrike Amler
Das bedeutet kompakte Herdenführung
Hinter dem Begriff „Kompakte Herdenführung“ stehen verschiedene Managementmaßnahmen, durch die ein Herdenverbund gefördert und gewährleistet wird. Sie minimieren das Risiko eines Übergriffs, wenn alle Tiere gut in die Herde integriert sind. Im Falle eines Angriffs stehen sie kompakt und die Gruppe bietet als Ganzes Schutz. Die Maßnahmen sollen eine Verhaltensänderung erwirken, denn bei der Zusammenführung von Pensionsvieh aus verschiedenen Betrieben bleiben Tiere, die sich bereits kennen, gerne in kleinen Gruppen unter sich und in Distanz zu anderen Tieren. So haben sie ein höheres Risiko.
Mehrtägige Vorweide oder Stallhaltung: Vor Beginn der Beweidung kommen die Tiere für mindestens drei Tage gemeinsam auf eine reduzierte Weidefläche mit maximal 100 m² pro Tier oder gemeinsam in einen Laufstall.
Portionsweide über die gesamte Weidesaison: Diese Maßnahme empfiehlt die FVA bei regelmäßigen Tierwechseln. Die Experten raten zu einer geschickten Trassenführung, zum Beispiel auf Kuppen anstatt in Senken. Diese ermöglicht eine bessere Übersichtlichkeit. Die jeweilige Weideeinheit soll der Rindergruppe für drei Tage Futter bieten. Danach wird die Gruppe auf die nächste Weideeinheit getrieben.
Überjährige Herden: Hier wird die kompakte Herdenführung als erfüllt betrachtet, wenn Herden, die in der vergangenen Weideperiode oder mehreren Perioden in ihrer bestehenden Zusammensetzung, ohne Integration neuer Fremdtiere, gemeinsam geweidet haben.
Weidezäune mit mehreren Litzen gelten bislang als das Nonplusultra im Herdenschutz. Nicht immer lässt das Gelände sie zu. Die Weidegemeinschaft Erlenbach testet mit wissenschaftlicher Begleitung die Vorweide als wirkungsvolle Managementmaßnahme gegen Wolfsangriffe.
Wenn aufwendige wolfsabweisende Maßnahmen wie Weidezäune oder Herdenschutzhunde aufgrund der Lage, Geländeverhältnisse oder von Nutzungskonflikten mit dem Natursport oder Tourismus keine Option für die wirkungsvolle Abwehr sind, brauchen Weidetierhalter Managementlösungen. Es gilt eine Antwort auf die Frage zu finden: „Wie schaffen wir es, wehrhafte Herden zusammenzustellen?“ Während abwehrbereite, erfahrene Alttiere in Jungviehherden bereits wirkungsvoll zum Herdenschutz beitragen können, stellen Rinderherden mit Tieren aus verschiedenen Herkünften auf Gemeinschaftsweiden andere Anforderungen. Um die Wehrhaftigkeit solcher Herden zu fördern, testen die Weidegemeinschaft Erlenbach und eine weitere Weidegemeinschaft im Münstertal, wissenschaftlich begleitet durch die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) in Freiburg und das Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Radolfzell, die kompakte Herdenführung. Praktiker bezeichnen sie auch als Vorweide.
Jeweils zwei Gruppen mit und ohne Vorweide liefern das nötige Datenmaterial, um die Wirksamkeit der Maßnahme zu belegen. Mitte Juli haben der BLHV mit Präsident Bernhard Bolkart, die Mitglieder der Weidegemeinschaft Erlenbach, Wissenschaftler und weitere Projektpartner der Presse diese Managementmaßnahme im Weidegebiet auf rund 1100 Höhenmetern zwischen Feldberg und Schauinsland vorgestellt.
Angestoßen hat das Projekt der sogenannte ‚Schluchsee-Rüde‘ GW1129m durch seine Rinderrisse“, erklärte Ronja Schütz von der FVA zur Einführung. Daraufhin wurde 2023 in Baden-Württemberg der zumutbare Herdenschutz bei Rindern definiert. An der Ausgestaltung dieses Konzepts und der damit zusammenhängenden Förderung haben neben FVA und dem Umweltministerium auch das Landwirtschaftliche Zentrum Baden-Württemberg (LAZBW) sowie Mitglieder des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV), der Erzeugergemeinschaft Schwarzwald Bio-Weiderind (EZG) und weitere Praktiker mitgewirkt. „Das Herdenschutzprojekt Südschwarzwald hat Halbzeit“, erklärte die Projektkoordinatorin Rebecca Müller.
Bis zu den Rissen von Rindern gingen Fachleute und Tierhalter auch im Südschwarzwald davon aus, dass Einzelwölfe nur in Ausnahmefällen Großtiere angreifen und sich eher an Schafe und Ziegen halten. Seither konnten jedoch immer wieder nervöse Rinderherden oder Ausbrüche von Tieren verzeichnet werden. Einzeltiere und lose Tierverbände auf großer Fläche sind einem höheren Risiko ausgesetzt, von einem oder mehreren Wölfen angegriffen zu werden. Die kompakte Herdenführung oder Vorweide ist eine Möglichkeit, gezielt Einfluss auf das Herdenverhalten zu nehmen. Der Grundgedanke ist, Rinder durch äußere Bedingungen zur Bildung eines festen Herdenverbandes zu veranlassen, der sich gemeinsam bei einem Angriff verteidigt: Teambuilding für Weiderinder.
Die kompakte Herdenführung gilt in Baden-Württemberg als zumutbarer Herdenschutz bei Rindern. Hierfür kommen Tiere aus unterschiedlichen Herkünften für die ersten drei Weidetage auf engem Raum zusammen. Kalkuliert wird mit einer Weidefläche von 100 m2/Tier. In diesem Zeitraum bildet sich eine Rangordnung, die erfahrungsgemäß über die Weidezeit stabil bleibt.
Um den Erfolg dieser Maßnahme zu messen, begleitet Jens Koblitz vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Radolfzell das Projekt. Die dort Forschenden tragen aus Icarus, einer internationalen Kooperation zur Beobachtung von Tieren aus dem Weltraum, mit Erfahrung und technischem Know-how bei. Mithilfe eines satellitengestützten Beobachtungssystems erforschen sie das Wanderungsverhalten von Tieren. In diesem Fall hat Koblitz die Tiere der zwei Weidegemeinschaften im Südschwarzwald besendert. Im Gebiet rund um die Erlenbacher Hütte tragen 85 von insgesamt 90 Tieren ein GPS-Halsband. Im Münstertal sind weitere 48 von insgesamt 62 Tieren mit einem GPS-Sender ausgestattet. Dieser funkt alle zehn Minuten den Standort der einzelnen Tiere an den Datenspeicher. Die Tiere der Weidegemeinschaft Erlenbach wurden am 23. Mai besendert. Seither hat der Wissenschaftler 60’000 Datenpunkte erhalten.
Anhand der Daten wollen die Wissenschaftler die Effekte der Gruppenzusammenführung sichtbar darstellen. Ergebnisse der Studie liegen jedoch noch nicht vor. Die Forscher untersuchen die Bewegungsmuster der Tiere und die Flächenbelegung. Die teilnehmenden Tierhalter – die Weidegemeinschaft Erlenbach hat sechs Mitglieder, insgesamt zehn Betriebe beschicken die Gemeinschaftsweide – erhalten die Livestandorte für jedes mit Sender versehene Tier über eine App auf ihr Handy.
Tobias Winterhalter aus Oberried ist Mitglied der Weidegemeinschaft Erlenbach. Im Tal hat er einen Betrieb mit 100 Milchkühen und Nachzucht. Den Sommer verbringen seine Rinder mit einem Bullen auf den Hochweiden. Er demonstriert auf seinem Mobiltelefon, wie einfach er den aktuellen Standort einzelner Tiere ermitteln kann. Im Hintergrund ist aus Google Maps ein Luftbild mit den sichtbaren Geländeelementen hinterlegt. Die App zeigt das Bewegungsprofil einzelner Tiere oder der ganzen Herde. „Es ist spannend zu beobachten, dass die Tiere manche Zonen in den Randbereichen der Weide offensichtlich meiden“, zeigt er die freien grünen Stellen im Wirrwarr blauer Laufspuren auf dem Display. Man könne auch beobachten, dass die Rinder tagsüber gerne gemeinsam in der Gruppe unterwegs seien, sich nachts aber weit versprengt voneinander aufhielten.
Der Tierhalter gibt zu bedenken, dass Wölfe ein sehr individuelles Jagdverhalten haben und nicht jede Schutzmaßnahme zu jedem Wolf passt. Das bestätigte auch Ronja Schütz. Während drei der vier in Baden-Württemberg residenten Wölfe – das jüngste Territorium hat ein Rüde auf der Ost-Baar bei Donaueschingen besetzt – zumeist Wildtiere jagten, gingen alleine auf das Konto des Wolfs im Nordschwarzwald 140 Nutztierrisse in den vergangenen zehn Jahren.
Wie aufwendig der Bau wolfsabweisender Zäune ist, zeigte Simon Zimmermann am mobilen Elektrozaun der Kontrollgruppe ohne Vorweide. Im strömenden Regen brachte dieser lediglich 2000 Volt Spannung auf die Litze. „Für die Hütesicherheit ist das ausreichend, aber einen Wolf hält er so nicht ab“, erklärte der Tierhalter und Herdenschutzfachmann. Dazu würde selbst bei diesem gut ausgemähten Zaun zu viel feuchte Vegetation den Strom ableiten.
Herausforderungen seien auch Waldränder, weil Gehölze regelmäßig in den Zaun wüchsen und nicht überall mit Maschinen gemäht werden könne. Manchmal müsse der Tierhalter da auch mit der Astschere ran, so Zimmermann. Er gab zu bedenken, dass die 20 cm vom Boden bis zur ersten Litze regelmäßig freigemäht werden müssen. In den Höhenlagen kann das vier- bis sechsmal in der Weidesaison zwischen Mai und Oktober notwendig werden, in den wüchsigen Tallagen auch acht- bis zehnmal erforderlich sein. Der Arbeitsaufwand sei immens und von den Weidehaltern kaum leistbar, die ihre Tierhaltung häufig noch im Nebenerwerb oder als Hobby betrieben. Gerade im Mittleren und Südschwarzwald seien einfache Litzenlängen von bis zu 1400 m keine Seltenheit.
Die Vorweide erscheint bislang als sinnvolle und tragfähige Maßnahme für die Regionen, wo die Zäunbarkeit nur unter größten Schwierigkeiten möglich ist. Hierzu zählen die Gegenden mit flachgründigen Böden und nahe anstehendem Deckgebirge, stark vernässte Flächen, die Zaunpfählen keine Standfestigkeit bieten, und vor allem steile Lawinengebiete. Würde das Gras dort unreguliert wachsen, hätte das einen Rutschbahneffekt, gab der für die Wolfsthematik zuständige BLHV-Referent Lukas Schaudel zu bedenken. Die Teilnehmer warten mit Spannung auf die Auswertung der Daten. Das Projekt endet im Jahr 2027.
Ulrike Amler
Das bedeutet kompakte Herdenführung
Hinter dem Begriff „Kompakte Herdenführung“ stehen verschiedene Managementmaßnahmen, durch die ein Herdenverbund gefördert und gewährleistet wird. Sie minimieren das Risiko eines Übergriffs, wenn alle Tiere gut in die Herde integriert sind. Im Falle eines Angriffs stehen sie kompakt und die Gruppe bietet als Ganzes Schutz. Die Maßnahmen sollen eine Verhaltensänderung erwirken, denn bei der Zusammenführung von Pensionsvieh aus verschiedenen Betrieben bleiben Tiere, die sich bereits kennen, gerne in kleinen Gruppen unter sich und in Distanz zu anderen Tieren. So haben sie ein höheres Risiko.
Mehrtägige Vorweide oder Stallhaltung: Vor Beginn der Beweidung kommen die Tiere für mindestens drei Tage gemeinsam auf eine reduzierte Weidefläche mit maximal 100 m² pro Tier oder gemeinsam in einen Laufstall.
Portionsweide über die gesamte Weidesaison: Diese Maßnahme empfiehlt die FVA bei regelmäßigen Tierwechseln. Die Experten raten zu einer geschickten Trassenführung, zum Beispiel auf Kuppen anstatt in Senken. Diese ermöglicht eine bessere Übersichtlichkeit. Die jeweilige Weideeinheit soll der Rindergruppe für drei Tage Futter bieten. Danach wird die Gruppe auf die nächste Weideeinheit getrieben.
Überjährige Herden: Hier wird die kompakte Herdenführung als erfüllt betrachtet, wenn Herden, die in der vergangenen Weideperiode oder mehreren Perioden in ihrer bestehenden Zusammensetzung, ohne Integration neuer Fremdtiere, gemeinsam geweidet haben.