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Alter NABU-Kurs mit neuem Minister?

Mit Carsten Schneider übernimmt ein erfahrener SPD-Politiker das Umweltressort – allerdings ohne nennenswerte umweltpolitische Vorprägung. Unterstützung kommt von bekannten Namen aus der Naturschutzlobby.

Beim BLHV  wächst die Sorge vor alten Frontlinien.

Der bisherige Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, wird neuer Bundesumweltminister. Der gelernte Kaufmann gehört dem Bundestag seit 1998 an und bringt reichlich politische Erfahrung mit – allerdings ohne ausgewiesene Expertise in Umweltfragen. Die fachliche Absicherung soll Jochen Flasbarth übernehmen, der als beamteter Staatssekretär zurückkehrt. Der „Haudegen der Umweltpolitik“ hatte dieses Amt bereits von 2013 bis 2021 unter Barbara Hendricks und Svenja Schulze inne. Zuvor war er Präsident des Naturschutzbundes NABU und des Umweltbundesamts.

Auch auf der Ebene der Parlamentarischen Staatssekretäre gibt es Veränderungen: Carsten Träger, bislang umweltpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sowie Rita Schwarzelühr-Sutter werden Schneider künftig zur Seite stehen. Träger sitzt seit 2017 im Bundestag und war in seiner ersten Legislaturperiode auch Mitglied im Ernährungsausschuss. Schwarzelühr-Sutter bringt langjährige Erfahrung mit: Die Baden-Württembergerin war bereits von 2013 bis 2021 Parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium, zuletzt hatte sie dieselbe Funktion im Innenressort inne.

Neben den personellen Neubesetzungen wurde auch der Zuschnitt des Ministeriums verändert. Die Zuständigkeit für den Verbraucherschutz wechselt ins Justizministerium. Gleichzeitig kehren die Zuständigkeiten für nationalen Klimaschutz aus dem Wirtschaftsministerium sowie für internationale Klimapolitik aus dem Außenministerium ins Umweltressort zurück. Die neue offizielle Bezeichnung lautet künftig: Bundesministerium für Umwelt, Klima, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUKN). Das geht aus dem Organisationserlass hervor, den Bundeskanzler Friedrich Merz am Mittwoch erlassen hat.

In der Landwirtschaft werden die Entwicklungen mit Skepsis verfolgt. Die Amtszeit von Barbara Hendricks ist vielen noch wegen der umstrittenen PR-Kampagne „Neue Bauernregeln“ in Erinnerung – ein Versuch, auf Missstände in der Landwirtschaft hinzuweisen, der von vielen als pauschales Bauernbashing wahrgenommen wurde. Dass sich eine derart provokante Kommunikationslinie unter Schneider wiederholt, scheint allerdings unwahrscheinlich. Der 49-jährige Sozialdemokrat gilt als pragmatischer, sachlicher Politiker mit einem unauffälligen, aber beständigen Politikstil – achtmal in Folge gewann er ein Direktmandat. Als Ostbeauftragter war es sein Ziel, gesellschaftliche Gräben zu überwinden.

Schwindende HoffungKritik kommt dennoch: BLHV-Präsident Bernhard Bolkart kann die Entscheidung nicht nachvollziehen, „einen früheren NABU-Funktionär einfach auf die Bauern loszulassen“. Es schwinde die Hoffnung, „dass es endlich einmal zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Umwelt- und Landwirtschaftsministerium kommt“. Zudem verweist er auf eine Doppelmoral: Während Vertreter des Bauernverbands wie Günther Felßner massiv kritisiert worden seien, werde ein Umweltlobbyist problemlos in eine Spitzenposition gehoben.

Dabei müsste das Umweltressort gerade in den Querschnittsaufgaben Klimawandel, Biodiversität und Lebensmittelerzeugung eng mit den Ressorts Forschung, Wirtschaft und Landwirtschaft kooperieren. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) betonte unmittelbar nach Amtsübernahme die Bedeutung einer solchen Zusammenarbeit.

Es bleibt also offen, welchen Kurs das neue Umweltministerium einschlagen wird. Das Duo Flasbarth und Schneider wird sich im besten Fall gegenseitig ergänzen: auf der einen Seite Erfahrung in der Umweltpolitik, auf der anderen die Fähigkeit, unaufgeregt erfolgreiche Politik zu machen. Dennoch bleit mit der Persona Flasbarth zunächst die Befürchtung, dass alte Grabenkämpfe wieder ausbrechen.

Elsner

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