Verbandsarbeit

Berufsstand intensiv gefordert wie selten

Jahresrückblick – Das Volksbegehren Artenschutz von ProBiene, der Volksantrag aus dem bäuerlichen Berufsstand und das Eckpunktepapier der Landesregierung in unmittelbarer Folge haben  den BLHV im vergangenen Jahr außerordentlich stark in Beschlag genommen. Aber es gab noch andere wichtige Themen, wie aus dem Tätigkeitsbericht hervorgeht.

„Volksbegehren, Eckpunktepapier und Volksantrag gaben Anlass, unsere Landesversammlung so aktuell wie möglich zu gestalten“, betonte BLHV-Hauptgeschäftsführer Benjamin Fiebig bei der Präsentation des Tätigkeitsberichts 2019 der berufsständischen Interessenvertretung Südbadens am vergangenen Freitag in Endingen.

In der Tat war die symbolische Übergabe der Unterschriftenpakete des erfolgreichen Volksantrags „Gemeinsam unsere Umwelt schützen in Baden-Württemberg“ an Landwirtschaftsminister Peter Hauk ein außergewöhnlicher Höhepunkt der BLHV-Landesversammlung  2020.

Im Gleichlauf
Fiebig ordnete die Landwirtschaft in seinem Rückblick zunächst in die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Umfelds 2019 ein. Das vergangene Jahr war demnach  in der deutschen Wirtschaft erneut von Wachstum geprägt, wobei sich die Steigerung abgeschwächt habe. Fiebig erwähnte ein um 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegenes Bruttoinlandsprodukt, eine Inflationsrate von 1,5 Prozent, eine preisbereinigte Steigerung der privaten Konsumausgaben um 1,0 Prozent und eine Arbeitslosenquote von 3,2 Prozent. „Der Handelskonflikt mit den Vereinigten Staaten, Turbulenzen in Schwellenländern, der Brexit und die politische Unsicherheit im Euro-Raum bergen allerdings in Kombination ein erhebliches Risiko für die Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft“, betonte er einschränkend in Richtung Zukunft. 
Die Agrarkonjunktur sieht Fiebig  im Gleichlauf mit dieser gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. „Nach leichter Erholung in den beiden vorausgegangenen Wirtschaftsjahren hat sich die Situation der deutschen Landwirtschaft im Wirtschaftsjahr 2018/19 verschlechtert“, betonte der Hauptgeschäftsführer des BLHV. Im Durchschnitt der Haupterwerbsbetriebe sei das Unternehmensergebnis mit 54900 Euro 18 Prozent unter dem Vorjahresergebnis von 67200 Euro. Je Landwirt seien das im Durchschnitt 38400 Euro/Jahr, was einem Bruttomonatseinkommen von circa 3200 Euro entspreche. 
Besonders groß waren nach den Ausführungen Fiebigs die Einbußen in den Milchvieh- und Rindermastbetrieben, aber auch in den Veredlungsbetrieben. Ackerbaubetriebe übertrafen ihr relativ niedriges Vorjahresergebnis, während Dauerkulturbetriebe den Stand der Vorjahre grob halten konnten, ergänzte er. 
Fiebigs Ausblick auf das laufende Wirtschaftsjahr 2019/20 fällt verhalten aus. Höheren Mengen in der pflanzlichen Erzeugung stehen demnach niedrigere Preise gegenüber. „Die weltweite Knappheit an Schweinefleisch als Folge der in Südostasien grassierenden Afrikanischen Schweinepest (ASP) beschert den Schweinehaltern aktuell höhere Erzeugerpreise. Dies aber in der Hoffnung, noch möglichst lange von der Seuche verschont zu bleiben“, warf Fiebig dabei auch einen Blick auf den Sektor, der wegen der ASP gerade besonderes öffentliches Interesse erfährt. 
Die Debatte um die Kompensation einer milliardenschweren „Brexit-Lücke“ erschwert die Entscheidungsfindung beim Budget für die künftige Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU. Fiebig bezeichnete das Budget als  notwendigen Ausgangspunkt für die Reform der GAP. 

Agrarpolitische Rahmenbedingungen
„Wie sich der  neue EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski in die Ausgestaltung konkret einbringen wird, muss sich in den kommenden Monaten noch zeigen“, verwies Fiebig hier auf eine derzeit noch weitgehend „unbekannte Größe“. Fest steht für ihn bereits, dass diese GAP noch „grüner“ als nach der letzten Reform ausfallen wird. Die Kommission habe ihre Vorschläge für eine Übergangsphase vorgelegt. Fiebig wertete dies als ein Indiz für ein langes Verfahren.

Agrarpaket sorgt für Empörung
Neben einer als Alleingang empfundenen Politik der Bundesebene war es insbesondere das am 4. September 2019 vom Kabinett beschlossene „Agrarpaket“, das eine Welle der Empörung ausgelöst hat, ruft der BLHV-Hauptgeschäftsführer in Erinnerung. Das Agrarpaket besteht aus Insektenschutzprogramm, Tierwohlkennzeichen und Umschichtung der Direktzahlungen für 2020. Mit den „Grünen Kreuzen“ einer Graswurzelbewegung  und dem Entstehen der Initiative „Land schafft Verbindung“ (LsV) wurden als Antwort darauf bundesweit Demonstrationszüge in Gang gesetzt, „wie wir sie seit Jahren nicht mehr gesehen haben“, so Fiebig. „Durch den Druck der Straße sind zwar nicht die Themen verschwunden, aber die unmittelbar Betroffenen sind wieder in den Blick der Politik gerückt, was der mühevollen Detailarbeit der Bauernverbände wichtigen Vorschub leistet“, erläutert Fiebig. 
Der Hauptgeschäftsführer nennt weitere wichtige Themen des Jahres 2019: die Umsetzung der neuen Düngeverordnung, der Umgang mit FFH-Lebensräumen, die Bruttoflächen-Problematik, die Neuabgrenzung benachteiligter Gebiete, Wolf, Wald, Borkenkäfer, Trockenheit. „Alles Themen, bei denen es sich  2019 neben dem Volksbegehren für den Berufsstand einzusetzen galt“, betont Fiebig. 
Auf die Extremwetterfälle der letzten Jahre reagiert das Land Baden-Württemberg mit dem Angebot einer staatlich unterstützten Mehrgefahrenversicherung. Anträge können noch bis zum 1. März 2020 gestellt werden, informiert Fiebig und erwähnt ergänzend: Nach langem Tauziehen wird auch die dreijährige steuerliche Gewinnglättung wirksam, nachdem die EU-Kommission die beihilferechtliche Genehmigung erteilt hat. Sie sei bereits 2016 im Rahmen des Hilfspakets zugunsten der Landwirtschaft aufgelegt worden. 

Als besonders zu erwähnende Ereignisse aus der Verbandsarbeit nennt Fiebig in seinem Tätigkeitsbericht: 

  • Die große Schlepper-Kundgebung anlässlich des Bürgerentscheids über den neuen Freiburger Stadtteil Dietenbach am 24. Februar 2019
  • Die erste Messe RegioAgrar Baden vom 19. bis 21. März 2019, die das bisherige Konzept der BALA abgelöst hat, der Branche auch nach dem „Aus“ der Baden Messe eine Heimat bietet und nach dem Dafürhalten Fiebigs mit rund 4000 Besuchern einen gelungenen Auftakt feiern konnte. Zugleich bot sie die Gelegenheit, so Fiebig, „unsere Landesversammlung in Halle 1 in modernem Format zu präsentieren.“ 
  • Unter dem Motto „LANDWIRT schafft EUROPA“ wurde bei der Landesversammlung Ausblick auf die Europawahlen und die anstehende Reform der GAP genommen, erinnert Fiebig.  „Die dort erstmals verbreitete Idee mit dem Gesellschaftsvertrag sollte unsere Diskussionen bekanntlich über das ganze Jahr verfolgen“, betont er. Fiebig erinnert zudem daran, dass sich französische und deutsche Landwirte  unter dem Eindruck dieser Landesversammlung am 10. Mai 2019 in Straßburg versammelten, um gemeinsam über die Zukunft der europäischen Agrarpolitik zu sprechen. Organisiert wurde die Konferenz von den elsässischen Landwirtschaftskammern und dem BLHV unter dem Motto „Wir ackern für Europa“. 
  • Besonders erwähnt Fiebig auch den gemeinsamen Erntedank-Gottesdienst mit Erzbischof Stephan Burger im Freiburger Münster, bei dem gut 1000 Besucher der Einladung des BLHV gefolgt sind.  

Geschäftsentwicklung
Um diese, weitere und kommende Aktivitäten des BLHV mitzuverfolgen, verweist Fiebig auf die 2019 neu konzipierte Internetseite www.blhv.de. Sie wurde auch für moblie Endgeräte optimiert. „Die weitere Verbesserung unserer Kommunikationswege ist damit aber nicht abgeschlossen“, machte Hauptgeschäftsführer Benjamin Fiebig darauf aufmerksam, dass weitere Optimierungsschritte geplant sind. 
Die Geschäftsentwicklung des BLHV skizzierte Fiebig wie folgt: Der BLHV hat aktuell 16059 Mitglieder und damit 102 Mitglieder weniger als im Jahr zuvor. 506 Abgängen stehen demnach 404 Zugänge gegenüber. Das Minus beträgt weniger als ein Prozent. 
Neben der originären Aufgabe einer berufsständischen Interessenvertretung gehöre zu den maßgeblichen Leistungen des BLHV die Beratung in wirtschaftlichen, sozialen, rechtlichen und insbesondere steuerlichen Belangen. „Mit 107 Mitarbeitern in der landwirtschaftlichen Buchstelle und weiteren 67 Mitarbeitern in den anderen Betätigungsfeldern setzen wir auf eine langfristige Zusammenarbeit mit den landwirtschaftlichen Betrieben, die zumeist generationenübergreifend von uns vertreten werden“, betont der Hauptgeschäftsführer. 
Durch andauernde Präsenz bei Stellenausschreibungen sei es möglich gewesen, ausreichend Fachkräfte zu generieren, um die vielfältigen Aufgaben zu bewältigen. Ertragskraft und Ausstattung mit hauptamtlichen Fachkräften seien aber der begrenzende Faktor für „noch mehr“ Aktivitäten, die bereits in ihrer jetzigen Vielfalt nur durch  Engagement des Ehrenamtes zu bestreiten seien, ruft Fiebig in Erinnerung.

Herausforderung
Eine Herausforderung werde es sein, für Kampagnen, Projekte und die Weiterentwicklung digitaler Kommunikation Finanzierungswege zu entwickeln. Zur Verdeutlichung zieht Fiebig die Kampagne zum Volksantrag heran: Vorstand und Geschäftsführung seien für die Anregung aus den Gremien dankbar gewesen, die zur jährlichen Rückvergütung an die Ortsvereine vorgesehenen Beitragsmittel außerplanmäßig für die Kampagnenarbeit Volksantrag heranzuziehen.  Dies sei dann  beschlossen worden.  „Klar wurde aber bei der Diskussion um diesen Schritt, dass ein vergleichbarer Kraftakt nicht beliebig wiederholbar ist“, benennt Fiebig die Grenzen der Möglichkeiten. 

Angesichts der außergewöhnlichen Herausforderungen im Jahr 2019 ist es dem Hauptgeschäftsführer abschließend ein besonderes Anliegen, allen Mitgliedern des Verbands, den Vertretern auf Orts- und Kreisebene, dem gesamten Vorstand auf Verbandsebene und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihren besonderen Einsatz im Jahr 2019 Dank zu sagen. „Gleiches gilt  den Verantwortlichen in Politik, Verwaltung und Gesellschaft, die sich verlässlich für die Land- und Forstwirtschaft eingesetzt haben. Den Kirchen, den Aktiven in der verbandlichen Öffentlichkeitsarbeit, den Familien, die ihre Höfe für Kindergärten, Schulen und für Journalisten öffneten, den Landfrauen und der Landjugend für das herausragende Engagement in einem außergewöhnlichen Verbandsjahr“, schließt Fiebig seinen Tätigkeitsbericht des Verbandes ab.

bf/red

Berufsstand intensiv gefordert wie selten