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Kommentar: Die Moral endet am Geldbeutel

Die „Big Player“ der Lebensmittelbranche sind so erfolgreich, weil sie ein beinahe perfektes Gespür für Verbrauchernachfrage entwickelt haben. Ohne Zweifel wird dieses Gespür teuer eingekauft: Alle greifbaren Kundendaten werden ausgewertet, um zu wissen, was der Kunde will und das am besten noch bevor er es selber weiß.

Lidl führte Anfang April den sogenannten Tierwohlkompass für Fleischprodukte ein. Das ist ein Label, das in vier verschiedenen Stufen anzeigt, wie hoch die Tierwohlkriterien in der Haltung sind. Je höher – die höchste Stufe steht für Biohaltung – desto teurer das Fleisch. Das tat Lidl, um mehr Fleisch zu verkaufen, insbesondere das aus den höheren Stufen. Man war sich also sicher, dass sich Umfragewerte, wonach 90 Prozent der Verbraucher bereit seien, mehr Geld für mehr Tierwohl auszugeben, an den Regalen und an der Kasse in die Praxis umsetzen ließen. Nach nur zwei Monaten machte Lidl einen Kassensturz und musste feststellen, dass die Moral immer noch am Geldbeutel endet. Lidls Einkaufschef erklärte persönlich gegenüber der Presse: Je tierfreundlicher ein Produkt sei, desto weniger werde es gekauft. Den ausgebliebenen, aber erhofften Mehrerlös wird der Großkonzern verkraften können.  Und es bleibt ja noch der Imagegewinn, den der Tierwohlkompass einbrachte. Prinzipiell gescheitert ist die ganze Masche der Tierwohllabel aber noch nicht. Auch in anderen Ländern wurden ähnliche Labels eingeführt;   das Konsumverhalten änderte sich aber erst Jahre später. Dennoch zeigt Lidls Haltungskompass, dass sich der Standard besser verkaufen lässt als gedacht. Ganz trocken könnte man auch von einem sehr guten Preis-Leistungsverhältnis sprechen. Und es zeigt, dass es noch zu früh ist, um alles auf die „Mehrwertfleisch“-Karte zu setzen. Vielmehr muss jetzt für den Standard ein kostendeckender Preis gezahlt werden.

Padraig Elsner