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Kommentar: Wenn der Handel spart, zahlt der Hof

Die jüngsten Preissenkungen bei Aldi und Lidl − über 500 Artikel, teils bis zu 35 Prozent günstiger − mögen für Verbraucher wie ein Segen wirken. Für viele Landwirte sind sie ein Schlag in die Magengrube. Denn was als „Entlastung der Verbraucher“ verkauft wird, ist in Wahrheit ein strategisches Manöver im Verdrängungswettbewerb des Lebensmitteleinzelhandels − mit Kollateralschäden auf dem Acker.

Aldi und Lidl betonen, die Preisnachlässe seien durch „interne Effizienzsteigerungen“ möglich. Das klingt nach digitaler Zauberei bedeutet in der Praxis aber oft: Der Druck wird nach unten weitergereicht. An die Verarbeiter. An die Lieferanten. Und am Ende an die Landwirte. 

In Südbaden wirtschaften viele kleine und mittlere Betriebe, oft familiengeführt, mit Fokus auf Qualität, Tierwohl und Nachhaltigkeit. Diese Strukturen sind nicht nur identitätsstiftend, sondern auch unverzichtbar für Ernährungssouveränität, Kulturlandschaft, Biodiversität und regionale Wertschöpfung. Doch sie sind verletzlich. Wenn der Handel Preise senkt, ohne die Produktionsrealitäten mitzudenken, geraten diese Höfe unter Druck, den sie kaum abfedern können. Denn die Produktionskosten steigen weiter: Energie, Futter, Löhne, Auflagen. Gleichzeitig sinken die Erzeugerpreise oder stagnieren auf niedrigem Niveau. Während große Agrarkonzerne Skaleneffekte nutzen, bleibt kleinen Betrieben oft nur die Wahl zwischen Selbstausbeutung und Betriebsaufgabe. Die wahren Motive der Discounter? Es geht nicht um das Wohl der Verbraucher, sondern um Marktanteile. Wer zuerst senkt, zwingt die Konkurrenz zum Nachziehen. Die Zeche zahlen nicht nur die Lieferanten, sondern letztlich auch die Verbraucher und die Vielfalt auf ihren Tellern. Denn mit jedem Hof, der schließt, verschwindet ein Stück kulinarischer und kultureller Identität.

Was tun? Die Politik muss endlich handeln: mit fairen Handelsregeln, transparenter Herkunftskennzeichnung und gezielter Förderung regionaler Wertschöpfungsketten. Und der Handel? Der muss sich fragen, ob kurzfristige Rabattschlachten wirklich zukunftsfähig sind oder ob nicht ein glaubwürdiges Bekenntnis zu regionaler Partnerschaft mehr Vertrauen schafft als jeder Preisknaller.

Und wir als Gesellschaft? Wir müssen lernen, dass „billig“ oft teuer ist − für Umwelt, Tier und Mensch. Es braucht keine neue Romantik des Landlebens, sondern ökonomische Vernunft. Wer will, dass es auch morgen noch Höfe in Südbaden gibt, muss heute bereit sein, ihren Wert anzuerkennen − auch an der Kasse.

Tasmin Taskale

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