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Mutige Entscheidungsträger sind nötig

In Tengen-Uttenhofen diskutierten Ministerialdirektorin Isabel Kling, BLHV-Präsident Bernhard Bolkart und CDU-Vertreter Klaus Schüle mit Landwirten über Pflanzenschutz, Bürokratieabbau und die Folgen des Klimawandels.

Der Bezirksagrarausschuss der CDU Südbaden unter Vorsitz von Klaus Schüle und der BLHV luden auf den  Lauterbach-Hof der Familie Leichenauer in Tengen-Uttenhofen ein. Die Ministerialdirektorin für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, Isabel Kling, und BLHV-Präsident Bernhard Bolkart tauschten sich mit rund 30 Interessierten, darunter auch Tengens Bürgermeister Selcuk Gök, Bundestagsabgeordneter Andreas Jung sowie der Landtagskandidat für den Wahlkreis 57, Christoph Stetter, aus. Der Lauterbachhof wird in dritter Generation von Stefan Leichenauer und seiner Familie bewirtschaftet. Von 140 Hektar Fläche werden 90 Hektar Ackerland konventionell bewirtschaftet. Die Hälfte der 50 Hektar Grünland liegt im FFH-Gebiet in 800 Metern Höhe. 2016 stellte der Landwirt nach dem plötzlichen Tod seines Vaters und einem Burnout die Milchproduktion ein. Seither stehen 50 Mastbullen im Stall, die sein Grünland veredeln.

Leichenauer konnte durch den Einsatz des Striegels seinen Herbizideinsatz um 40 Prozent zurückfahren. Zudem verbesserten das pfluglose Arbeiten und die Aussaat von Zwischenfrüchten die Bodenstruktur. Das sei schon seinem Großvater bekannt gewesen, erzählt Leichenauer. Daher wurzele die Idee von „Hybrid-Farming“  im Grunde schon tief in der bäuerlichen Tradition. Den ackerbaulichen Erfolg zeigte er seinen Besuchern anhand von verschiedenen Bodenproben: „Mein bester Mitarbeiter ist der Regenwurm“, sagt er. Die Erzeugnisse vermarktet er direkt und regional. Konventionelle und ökologische Landwirtschaft dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, beides brauche man in der Zukunft. Ziel müsse es jedoch sein,  den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln weiter zu reduzieren.  Auch mit dem Klimawandel und den extremen Wetterereignissen müsse man umgehen. Eine Förderung des Zwischenfruchtanbaus, der mit 80 bis 90 Euro pro Hektar zu Buche schlägt und erst nach mehreren Jahren seine nachhaltige Wirkung zeigt, hält Leichenauer für dringend notwendig.

Klaus Schüle bestätigt, dass es mehr Berechenbarkeit, weniger Bürokratie und für Bürger nachvollziehbare Ergebnisse braucht. Doch eine schnelle Umsetzung sei nicht in allen Bereichen möglich. Die Entscheidungsfreude in der Demokratie zu stärken, ohne die Menschen zu überfahren, sei die Herausforderung. Für weniger Bürokratie und weniger Kontrollen, stattdessen mehr Vertrauen in die fachliche Qualifikation und das umfassende Wissen der Landwirte kämpft BLHV-Präsident Bernhard Bolkart. Die zweite Verschiebung der Entwaldungsverordnung bezeichnete er als Katastrophe und Zeichen der Verhandlungsunfähigkeit. „Das Ding muss weg oder die ohne Null-Risiko-Kategorie muss kommen“, fordert er.

Zum Handelsabkommen Mercosur stehe er. Doch die Forderung nach deutschen Standards sei legitim und notwendig, um Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Verbraucherschutz sowohl für die Industrie als auch für landwirtschaftliche Erzeugnisse zu gewährleisten. Eine Anpassung der  Farm-to-Fork-Strategie an die wirtschaftliche und politische Realität hält er für dringend notwendig. Landwirte im Bereich Naturschutz seien gut unterwegs, doch die ewigen Forderungen und Kontrollen seien für Betriebsnachfolger wenig motivierend. Der Green-Deal-Ansatz sei in Ordnung, doch bei der Umsetzung hapere es gewaltig. Die Umsetzung des geplanten Bodenüberwachungsgesetzes hält er für extrem schwierig. Landwirte müssten sich nach dem Wetter und nicht nach einem vorgegebenen Termin richten, wann sie ihre Felder bewirtschaften. Die Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes begrüßt er und hofft, dass  der Bund klarer schaut, wo Konflikte minimiert werden und gleichzeitig die Akzeptanz in der Bevölkerung durch entsprechendes Handeln gestärkt wird.

Als Katastrophe bezeichnet er die drei Jahre und länger dauernde Wartezeit auf eine Baugenehmigung für einen Stall. Er fordert mehr zielführende Richtlinien und mutige Entscheidungsträger.

Zum Pflanzenschutz: In nassen Jahren brauche es mehr Fungizide. Die seien teuer, da würden Landwirte nur das Notwendigste ausbringen. Angesichts neuer invasiver Arten brauche es neue selektive Wirkstoffe, um schnell reagieren zu können. „Da braucht es auch Vertrauen in die solide Ausbildung der Landwirte“, schloss er. Isabel Kling berichtete über die Ergebnisse der Agrarministerkonferenz in Heidelberg. Als Beispiel nannte sie die Wiederherstellung der Natur: „Was stellen wir wieder her? Welches Jahrzehnt legen wir zugrunde? Wollen wir Ernährungssicherung oder Moor?“ Es gebe aus Brüssel viele gute Ideen, aber erst sollte doch den Land- und Forstwirten zugehört werden, um nicht am Ende einen Rückschritt zu machen.  Das Wolfsmanagement hält Kling wie die Herabstufung des Schutzstatus für wichtig, doch habe es leider keinen einstimmigen Beschluss gegeben. Dass Kalenderwirtschaft nicht mehr funktioniere und den Landwirten mehr Freiheiten gegeben werden müssten, bestätigte sie wie auch die Notwendigkeit neuer Dauerzulassungen von Pflanzenschutzmitteln.  Zudem fordert Kling mehr Technologieoffenheit und Pflanzenschutzforschung im Hinblick auf den Klimawandel. Andreas Jung (MdB) bezeichnete die Erwartung und Herausforderung als groß, jetzt gelte es, Vertrauen zu gewinnen.  Auf den neuen Landwirtschaftsminister Alois Rainer setzt man große Hoffnung.

„Wir kämpfen mit gleichen Problemen wie die Landwirte“, meldete sich Johannes Rizi zu Wort, der die unfreiwillige Abgabe von 19 Hektar Jagdfläche inmitten ihres Jagdreviers an die ForstBW zum Thema machte. Noch viele Themen wie neutrale Beratungsstellen, Förderung von Bildungsmaßnahmen, Unterstützung bei der Umstrukturierung, Umstellung von Rebflächen, Bibermanagement und auch Wählerverhalten kamen bei der Diskussion im Bürgerhaus zur Sprache.

Christa Maier