Pflanzenbau Nutztiere

Ausnahmen von der bodennahen Ausbringung

Der folgende Beitrag informiert über die künftigen Vorgaben und mögliche Ausnahmen von der bodennahen Ausbringungstechnik für Gülle, Jauche etc.

Auch die Landwirtschaft in Baden-Württemberg hat brutto einen zu hohen Stickstoffüberschuss, der sich im bundesweiten Vergleich eher im oberen Mittelfeld bewegt. Die Branche ist gefordert, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, und steht insbesondere wegen der Ammoniakemissionen in der Kritik, welche zu rund 95 % aus der Landwirtschaft stammen. Daher besteht auch in Baden-Württemberg sowohl aus ökologischer als auch aus ökonomischer Sicht  flächendeckender Handlungsbedarf.

Vorschriften für die Ausbringung
Um die Ammoniakemissionen zu verringern, schreibt die Düngeverordnung vor, dass flüssige organische und flüssige organisch-mineralische Düngemittel, einschließlich flüssiger Wirtschaftsdünger, mit wesentlichem Gehalt an verfügbarem Stickstoff oder Ammoniumstickstoff auf bestelltes Ackerland ab dem 1. Februar 2020 nur noch streifenförmig auf den Boden aufgebracht oder direkt in den Boden eingebracht werden dürfen. Für Grünland, Dauergrünland oder mehrschnittigen Feldfutterbau gilt dies ab dem 1. Februar 2025.

In welchen Fällen Ausnahmen möglich sind
Aufgrund der naturräumlichen und strukturellen Besonderheiten in Baden-Württemberg werden von den genannten Vorschriften aber Ausnahmen notwendig sein. In den im Folgenden genannten Fällen sind Ausnahmegenehmigungen möglich.

Zur Anwendung kommen andere Verfahren mit vergleichbar geringen Ammoniakemissionen – Ausnahmen nach § 6 Absatz 3 Satz 3.
Dünne Güllen oder Jauche mit weniger als zwei Prozent TS-Gehalt können von der bodennahen Ausbringung analog der Ausnahme vom Einarbeitungsgebot auf unbestelltem Ackerland  freigestellt werden – § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3. Der Trockensubstanzgehalt muss bei Gülle durch zwei Laborproben je Jahr in Verbindung mit einer nachvollziehbaren Dokumentation der ausgebrachten Menge nachgewiesen werden. Für reine Festmistbetriebe ist kein gesonderter Nachweis für die Jauche erforderlich. Darüber hinaus sind derzeit keine alternativen Verfahren, insbesondere Güllezusatzmittel, bekannt, welche nachvollziehbar zu deutlich geringeren Ammoniakemissionen in der Größenordnung von bodennahen Ausbringungsverfahren führen. Solche alternativen Verfahren können nur nach Vorlage entsprechender Nachweise und fachlicher Beurteilung und Zulassung durch das LAZBW und MLR genehmigt werden.

Es liegen agrarstrukturelle Besonderheiten vor – Ausnahmen nach § 6 Absatz 3 Satz 4. Das betrifft kleine Betriebe mit weniger als 15 ha landwirtschaftlich genutzter Fläche.
Folgende Flächen können bei der Ermittlung der Grenze von weniger als 15 ha LF unberücksichtigt bleiben:

  • Flächen, auf denen nur Zierpflanzen oder Weihnachtsbaumkulturen angebaut werden, Baumschul-, Rebschul-, Strauchbeeren- und Baumobst-flächen, nicht im Ertrag stehende Dauerkulturflächen des Wein- oder Obstbaus sowie Flächen, die der Erzeugung schnellwüchsiger Forstgehölze zur energetischen Nutzung dienen – DüV § 8 (6) Nummer 1
  • Flächen mit ausschließlicher Weidehaltung bei einem jährlichen Stickstoffanfall durch tierische Ausscheidungen von bis zu 100 Kilogramm Stickstoff je Hektar, wenn keine zusätzliche Stickstoffdüngung erfolgt – DüV § 8 (6) Nummer 2
  • Grünlandflächen mit einer Hangneigung von mehr als 20 % auf mehr als 30 % der Fläche
  • Streuobstwiesen gemäß FAKT ab rund 30 Bäumen je Hektar und Kleinflächen unter 20 Ar.

Es liegen naturräumliche Besonderheiten vor.
Grünland, das in mehr als 30 % der Fläche eine Hangneigung über 20 % aufweist, kann von der bodennahen Ausbringung ausgenommen werden.
Bei Grünlandflächen mit mehr als 35 % Hangneigung kann auch noch der Hochdruckseitenverteiler zugelassen werden, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • maximal zwei Gaben pro Jahr bei Schnittnutzung; bei ausschließlicher Beweidung eine Gabe,
  • die Gülle hat maximal fünf Prozent Trockensubstanz,
  • ein Abstand von zehn Metern zur Böschungsoberkante von Gewässern wird eingehalten,
  • noch gut befahrbare Flächen sind von dieser Ausnahmeregelung ausgeschlossen.

Hierbei ist zu beachten: Die  Ausnahmen für naturräumliche Besonderheiten ab 20 % Hangneigung kommen nur für Grünland und daher erst ab 2025 zum Tragen und werden an dieser Stelle somit nur informell mitgeteilt. Falls bis dahin andere geeignete Verfahren mit ausreichender Ammoniakminderung zur Verfügung stehen, sind diese anzuwenden.
Besonders bei arrondierten Betrieben mit Hanglagen ist die Verschlauchung mit dünner Gülle und Schleppschlauch oder Schleppschuh mittel- bis langfristig anzustreben.

Ablauf des Antragsverfahrens
Die Ausnahmen können von der zuständigen Unteren Landwirtschaftsbehörde genehmigt oder per Allgemeinverfügung zugelassen werden. Um die Betroffenheit erfassen und im Wege der Beratung unterstützen zu können, sollten jedoch Sammelgenehmigungen gegenüber Allgemeinverfügungen bevorzugt werden. Ausnahmen in Einzelfall können immer beantragt werden. Ausnahmegenehmigungen zum Einsatz von Seitenverteilern sind nur als Einzel- oder Sammelantrag möglich. Alle Ausnahmegenehmigungen werden zunächst auf längstens zwei Jahre befristet.
Da die bodennahe Ausbringungstechnik die wesentliche Maßnahme zur Reduktion der Ammoniakemissionen und letztlich zur Minderung der Stickstoffüberschüsse ist, sind die Unteren Landwirtschaftsbehörden angehalten, die Entscheidungen gemeinsam mit den Umweltbehörden sorgsam abzuwägen. Um die regionaltypische Gegebenheiten und Ziele des Umweltschutzes zu berücksichtigen, können die Ausnahmegenehmigungen zum Beispiel mit folgenden zusätzlichen Auflagen versehen werden:

  • keine Aufnahme von zusätzlichen flüssigen Wirtschaftsdüngern
  • Begrenzung der Ausbringungsmenge
  • erweiterte Gewässerabstände
  • standortspezifische Ausbringungsverbote oder Abstandsregelungen beispielsweise zu schützenswerten natürlichen Lebensräumen.

Bei Verzicht auf  Ausnahmen von bodennaher Ausbringungstechnik sollte generell verdünnte Gülle mit weniger als fünf Prozent Trockensubstanz mit vermindertem Druck, großtropfig sowie mit geeigneter herkömmlicher Gülletechnik ausgebracht werden.

Die dargestellten Eckpunkte für die möglichen Ausnahmen wurden überwiegend von einer Arbeitsgruppe unter Beteiligung des Berufsstandes entwickelt. Aufgrund der gesammelten Erfahrungen und den Berichten der Unteren Landwirtschaftsbehörden wird die künftige Vorgehensweise unter Berücksichtigung der Belange der Landwirtschaft und der Umwelt und gegebenfalls aktuellen rechtlichen Vorgaben angepasst und weiterentwickelt.

Dr. Helga Pfleiderer, MLR