Verbandsarbeit Forderungen Politik

Der BLHV bezieht Position und übt Kritik

Auf Grundlage des Eckpunktepapiers haben Umweltministerium (UM) und Landwirtschaftsministerium (MLR) einen Gesetzentwurf zu Änderungen des Naturschutzgesetzes und Anpassungen des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes (LLG) erarbeitet. Zu diesem hat der BLHV jetzt umfassend Stellung genommen.

Darüber hinaus hat der BLHV alle Forderungen aus dem Volksantrag, die das Gesetz nicht bereits berücksichtigt, mit konkreten Regelungsvorschlägen vorgetragen. In den Zeiten von Corona ist es unklar, ob und wann sich der Landtag mit dem Volksantrag befassen wird.

Dem Volksantrag Gehör verschaffen
Deshalb sollte die Stellungnahme zur Sicherheit dem Volksantrag zusätzlich Gehör verschaffen. Der BLHV stellte zunächst klar, dass der Gesetzentwurf nicht, wie vom Land behauptet, „gemeinsam mit den Landwirtschafts- und Naturschutzverbänden erarbeitet“, sondern vom MLR und UM vorgeschlagen wurde. Wesentliche Vorschläge der Landwirtschaft, zum Beispiel  zum Ziel der Pflanzenschutzmittelreduktion, wurden leider nicht aufgenommen. Dafür war der Gesetzentwurf des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ Ausgangspunkt des Landesgesetzes, was der BLHV kritisierte. Äußerst kritisch würdigte der BLHV die finanziellen Auswirkungen des Gesetzes. Die Mehrkosten für den Landeshaushalt werden jedoch vom Land nicht berechnet. Es heißt lapidar, dass diese mit vorhandenen Mitteln bezahlt werden sollen, sprich es werden Mittel dafür umgeschichtet.

Maßnahmen finanziell honorieren 
Der BLHV stellte klar, dass die landwirtschaftlichen Betriebe ihren Beitrag zum Artenschutz nur dann leisten können, wenn diese Maßnahmen auch finanziell honoriert werden. Er verlangt von der Politik finanzielle Planungssicherheit, gerade in Zeiten einer erheblichen Mehrbelastung des Landeshaushaltes durch die Folgen der Corona-Pandemie. Diese müssten eigentlich dazu führen, dass ein Gesetz mit erheblichen Mehrausgaben zunächst auf Eis gelegt wird, bis dessen finanzielle Auswirkungen abschätzbar sind. Auch die Kosten für Bürger und Betriebe, unter dem Begriff Erfüllungsaufwand zusammengefasst, werden nur zu einem geringen Bruchteil erfasst. Das Land stellt zusätzliche Fördermittel für die Landwirtschaft in Aussicht, wird jedoch dabei nicht konkret. Deshalb hat der BLHV eine umfassende Vorschlagsliste für verschiedenste Förderprogramme, deren Fortschreibung und deren Ergänzung erarbeitet und seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf beigefügt.

Klarstellung verlangt 
Der BLHV verlangt eine Klarstellung im Gesetz, dass aus allen Zielen, die im Rahmen der Eckpunkte gesetzlich verankert werden, sich keine klagbaren Rechtspositionen herleiten lassen. Die vielfältigen Ursachen des Artenrückgangs, insbesondere auch die Verantwortung des Handels, müssen sich im Gesetz wiederfinden. Die Ökologisierung öffentlicher Grünflächen dürfe nicht zu einem Schädlingsdruck auf benachbarten landwirtschaftlichen Flächen führen. Ebenso könne man nicht pauschal behaupten, dass auf ökologisch bewirtschafteten Flächen deutlich mehr Arten vorkämen als auf konventionell bewirtschafteten Flächen, sondern müsse den Einzelfall betrachten. Die über das Internet einsehbare Dokumentationsplattform für Kompensationsmaßnahmen muss den betrieblichen Datenschutz gewährleisten. Künftig müsse die Pflege vorhandener, aber ungepflegter Ausgleichsflächen, zum Beispiel Streuobstwiesen, als Ausgleich gewertet werden. Der BLHV begrüßt es, dass die nachteiligen Auswirkungen künstlicher Lichtquellen berücksichtigt und vermindert werden sollen. Er fordert dabei Ausnahmen vom Beleuchtungsverbot in Schutzgebieten für notwendige Beleuchtungseinrichtungen landwirtschaftlicher Anlagen im Außenbereich. Durch Ausbau des Biotopverbunds auf mindestens 15 Prozent der Landesfläche bis 2030 werden mehrere tausend Hektar bislang überwiegend landwirtschaftlich genutzter Fläche im Offenland der landwirtschaftlichen Produktion entzogen und einer rein ökologischen Nutzung, ohne jeden betriebswirtschaftlichen Mehrwert, zugeführt. Dieses Ziel berücksichtigt nicht, dass Baden-Württemberg bereits eine kleinstrukturierte Agrarlandschaft mit vielen Landschaftselementen aufweist. Der BLHV fordert, dass bei der Erweiterung des Biotopverbunds vornehmlich auf solche Flächen zurückzugreifen ist, die sich für die landwirtschaftliche Nutzung weniger eignen oder bereits jetzt mit naturschutzrechtlichen Auflagen belegt sind. Für die Mitwirkung der Landwirtschaft gelte die Freiwilligkeit. 
Im Gegensatz zu bisher müssen künftig Fließgewässer als Verbundachsen und Verbindungsflächen im Fachplan Biotopverbund berücksichtigt werden. Aufgrund der Gewässerrandstreifen eignen sich diese Gebiete nur noch begrenzt für die landwirtschaftliche Nutzung. Zugleich erneuert der BLHV seine Forderung nach der Gründung einer Kulturlandschaftsstiftung unter Beteiligung der Bauernverbände, um produktionsintegrierte Umweltmaßnahmen umfassend zu sichern und zu fördern.

Streuobstwiesen nicht gesetzlich schützen 
Der gesetzliche Schutz der Streuobstwiesen wird abgelehnt. Deren Erhalt sei nach dem bewährten Grundsatz „Schützen durch Nützen“ durch eine bessere Ausstattung der Förderprogramme besser zu erreichen als durch Verbote. Kritisiert wird, dass Streuobstwiesen ab einer Mindestgröße von bereits 1500 m² statt 2500 m² wie in Bayern geschützt werden und auch kein Mindestabstand von 50 m zur nächsten Bebauung vorgeschrieben wird. Dies benachteilige landwirtschaftliche Betriebe in Baden-Württemberg bei Erweiterungen der Hofstelle gegenüber Betrieben in Bayern erheblich und ohne Grund.

Pflanzenschutz einer der Hauptstreitpunkte 
Einer der Hauptstreitpunkte beim Eckpunktepapier zwischen Landwirtschaft und Naturschutz war das weitgehende Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten nach dem Naturschutzrecht. Das Gesetz regelt ein absolutes Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Naturschutzgebieten und macht die Zulässigkeit des Einsatzes in allen anderen Schutzgebieten von der Einhaltung zusätzlicher landesspezifischer Vorgaben der integrierten Produktion abhängig. Der BLHV kritisiert diese Verbote und Vorgaben als einen erheblichen Eingriff in die Produktion der in den Schutzgebieten wirtschaftenden Betriebe. Die Aussage des Landes, dass Sonderkulturbetriebe aufgrund eines nur geringen Flächenanteils in Naturschutzgebieten wenig betroffen sind, blendet aus, dass Einzelbetriebe sehr stark betroffen sind und dadurch schnell existenzgefährdet sein können. Diese Betriebe könnten nicht mit ihrer Produktion auf Flächen außerhalb der Schutzgebiete ausweichen, zumal das Grünlandumwandlungsverbot in Baden-Württemberg Neuanlagen zusätzlich unmöglich macht. Die vom Gesetz vorgesehenen Ausnahmeregelungen kritisiert der BLHV als unzureichend. Flächige Ausnahmen in Schutzgebieten bei invasiven Arten müssten schnell und flexibel gehandhabt werden. Dazu müssten sich UM und MLR zügig auf eine Positivliste zulässiger Mittel verständigen. Einzelausnahmen sind aktuell möglich, wenn eine Gefährdung des Schutzzwecks nicht zu befürchten ist. Künftig nur noch bei unbilligen Härten, und selbst dann auch nicht, wenn naturschutzfachliche Interessen überwiegen. Der BLHV kritisiert deutlich diese massive Benachteiligung und fordert eine Ausnahmeregelung, die sich am aktuellen Wortlaut orientiert. Ausnahmen müssten auch ohne Härtefall und wirtschaftliche Existenzgefährdung des Betriebes möglich sein. Sammelanträge müssten zugelassen werden. 
Sind Ausnahmen nicht möglich, müssen finanzielle Nachteile vollumfänglich entschädigt werden. Außerdem benötigten die Betriebe in den Schutzgebieten längere Übergangsfristen, um sich auf die neue Situation einzustellen. Dies gilt umso mehr angesichts der sehr weichen und unverbindlichen Regelungen zum Pflanzenschutzmitteleinsatz in Privatgärten.

Zweiter Teil: Änderungen des LLG 
Zweiter Teil des Gesetzespaketes sind Änderungen des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes (LLG). Der BLHV unterstützt es, dass die Themen Artenvielfalt und der ökologische Landbau im Bereich der Bildung mehr Bedeutung erhalten sollen. Eine vorrangige Stellung dieser Themen als Bildungsziel per Gesetz sei nicht angebracht, da übergeordnete Themen wie beispielsweise Betriebswirtschaft oder Unternehmensführung für den zukünftigen Betriebserfolg eine herausragende Bedeutung haben. Ebenso sei es dringend erforderlich, dass auch in der Allgemeinbildung Themen wie regional-saisonale Ernährung, landwirtschaftliche Erzeugung und Artenvielfalt noch stärker berücksichtigt werden. Dies fehlt noch.

Flächenverbrauch verringern 
Aufgegriffen wird in der Stellungnahme die Forderung aus dem Volksantrag nach einer Verringerung des Flächenverbrauchs. Hierzu schlägt der BLHV  vor, dass die oberste Landwirtschaftsbehörde alle drei Jahre im Rahmen einer Bodenbilanz feststellt, in welchem Umfang landwirtschaftliche Flächen der Produktion entzogen wurden, und dann Fachbehörden, Naturschutzbehörden sowie kommunale und andere öffentliche Planungsträger unterrichtet und auf bereits bestehende gesetzliche Vorgaben zum Schutz landwirtschaftlicher Flächen hinweist. Bei der Förderung des ökologischen Landbaus begrüßt es der BLHV, dass das Land den Ausbau des Ökolandbaus im Einklang mit  der Marktnachfrage umsetzen möchte. Das Gesetz müsse dazu die Landesregierung verpflichten, bis zum 1. Juli 2021 ein schlüssiges Konzept vorzulegen, aus dem ersichtlich wird, wie sie den Ausbau des Ökolandbaus und die Marktnachfrage nach Ökoprodukten in Einklang bringen will. Staatliche Flächen müssen Landwirte auch dann pachten können, wenn sie auf den Flächen keinen Ökolandbau betreiben, sondern  Maßnahmen umsetzen, die die Biodiversität fördern. Zu den  Vorschlägen des BLHV, den Ökolandbau zu fördern, gehört unter anderem, dass absatzfördernde Maßnahmen auch auf sogenannte „Umstellerware“ ausgeweitet werden und die Umstellung auf Ökolandbau als Ausgleichsmaßnahme berücksichtigt wird.

Kritischer Blick auf Reduktionsziele 
Die Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes bis zum Jahr 2030 landesweit um 40 bis 50 Prozent der heutigen Menge gehört zu den Kernzielen der Eckpunkte und des Gesetzentwurfes. Zu begrüßen sei, dass nach der Begründung des Gesetzes sich aus den Reduktionszielen des Landes keine einzelbetrieblichen Reduktionsverpflichtungen ergeben. Dem widerspricht aber, so kritisiert der  BLHV, der Wortlaut des Gesetzes, wonach der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert „wird“. Der BLHV legt Wert darauf, dass aus dem Gesetz sich in keiner Weise eine Verpflichtung zur Zielerreichung andeutet, zumal die landwirtschaftlichen Verbände bereits beim Eckpunktepapier darauf hingewiesen haben, dass ein ausgewiesenes Prozent-Ziel fachlich nicht machbar sei. Deshalb muss das Gesetz auch von „soll“ und nicht von „wird“ sprechen. Zudem werde der Erfüllungsaufwand für die Betriebe aus der Reduktion im Gesetz nicht berücksichtigt. Dies sei ebenso zu ergänzen, wie dass bei den Evaluierungen in 2023 und 2027 nicht nur Zieldefinition und -entwicklung, sondern auch die Höhe der Mengenreduktion von 40 bis 50 Prozent evaluiert und gegebenenfalls angepasst wird. Der BLHV vermisst darüber hinaus konkrete Maßnahmen zur Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes für nicht-landwirtschaftliche Bereiche im Gesetz. Zu ergänzen sind auch die unverzichtbaren Beiträge der Forschungseinrichtungen zur Reduktion, wie auch der Pflanzenzüchtung. Der BLHV stellt klar, dass auch bei einem reduzierten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln das Land gewährleisten muss, dass die Erzeugung qualitativ hochwertiger Lebensmittel aus Baden-Württemberg entsprechend den Standards des Lebensmittelhandels und des gesetzlichen Verbraucherschutzes für jeden landwirtschaftlichen Betrieb weiterhin wirtschaftlich möglich sein muss. 
In Schutzgebieten außerhalb von Naturschutzgebieten soll bekanntlich der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nur bei Beachtung zusätzlicher landesspezifischer Maßnahmen des integrierten Pflanzenschutzes zulässig sein.

Kapitulieren kleinere Nebenerwerbsbetriebe? 
Der BLHV kritisiert den damit verbundenen hohen Zusatzaufwand für die Betriebe. Er sieht die Gefahr von Produktionseinstellungen oder der Kapitulation kleinerer Nebenerwerbsbetriebe vor den neuen Dokumentationspflichten. Dem müsse zwingend begegnet werden. Bei der Dokumentation muss auf vorhandene Dokumentationen im Rahmen des landwirtschaftlichen Fachrechtes oder Dokumentationen, die von Vermarktungseinrichtungen vorgegeben werden, zurückgegriffen werden. Die landesspezifischen Vorgaben dürften kein Verbot von Pflanzenschutzmitteln nach sich ziehen. Die Auswahl von Mitteln muss unbürokratisch veränderbar gestaltet sein. Spritzfenster sollten nicht für jeden Betrieb oder gar auf jeder Fläche angelegt werden. Eine Umsetzung der Vorgaben im Bauernwald in Natura-2000-Gebieten sei nicht möglich und deshalb vom Gesetz auszunehmen. Bei den vom Land neu vorgesehenen sogenannten Refugialflächen sollen auf zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche des Landes durch Fördermaßnahmen Lebens- und Rückzugsräume für Wildarten geschaffen werden. Voraussetzung für eine Unterstützung durch die Landwirtschaft sei, so der BLHV, dass die Umsetzung freiwillig erfolgt und vorhandene geeignete Flächen bei der Zielerreichung berücksichtigt werden. In der überwiegend kleinräumig strukturierten Agrarlandschaft Baden-Württembergs sind bereits viele solcher Flächen vorhanden. Diese müssen zunächst erhoben und dann primär zu diesem Zweck eingerechnet werden; ebenso Flächen mit nur eingeschränkter landwirtschaftlicher Nutzbarkeit wie Gewässerrandstreifen. Eine zusätzliche Verpflichtung des Einzelbetriebs, auf fünf Prozent seiner Flächen ökologisch wirksame Maßnahmen umzusetzen, wird abgelehnt und eine rein freiwillige Umsetzung gefordert. Die Fördermaßnahmen müssen dabei einen finanziellen Anreiz für die Teilhabe enthalten. Die Betriebe sollten frei in ihrer Entscheidung sein, wie sie die gewünschte Fünf-Prozent-Quote erfüllen.

Erheblicher Änderungsbedarf
Insgesamt sieht der BLHV noch erheblichen Nachbesserungs- und Änderungsbedarf bei dem vorgeschlagenen Gesetzentwurf. Die wiederholt vom Land ausgedrückte Wertschätzung der landwirtschaftlichen Produktion dürfe kein Lippenbekenntnis bleiben, sondern müsse sich im Gesetzentwurf tatsächlich widerspiegeln. Dies sei bislang noch nicht der Fall, urteilt der BLHV.

Nödl