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Die Zukunftsbauern

In einer Reihe von Beiträgen erläutert der BLHV das Projekt Zukunftsbauern. Der Verband macht es zu einem wichtigen Thema beim kommenden Landesbauerntag am 24. September.

Beim Deutschen Bauerntag im Juni in Lübeck beschlossen die Delegierten, dass das Projekt Zukunftsbauern in den Landesverbänden weiterentwickelt werden soll. Dem Beschluss ging eine etwa zweistündige Diskussion voraus, die wiederum auf den Ergebnissen einer Arbeitsgruppe aufbaute: der AG Zukunftsbauern, die sich fast ein Jahr lang mit dem Thema auseinandergesetzt hatte. Hinzu kommen als Grundlage Studien über das Selbst- und Fremdbild der Landwirtschaft, die schon vorher im Fachausschuss Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Bauernverbandes (DBV) vorgestellt wurden. Der Beschluss in Lübeck fußt also auf jahrelanger Vorarbeit und dennoch sind im Berufsstand in der Breite kaum Hintergründe über den Zukunftsbauern bekannt. Das wird und muss sich ändern, ist für den BLHV klar.

Große Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Der Verband übernimmt die Initiative und setzt das Thema Zukunftsbauern als wichtigen Diskussionspunkt auf seinem Landesbauerntag im September. Vorher sollen wichtige Hintergründe und Wissen über das Thema verbreitet werden. Dazu soll eine Artikelserie dienen, die mit diesem Beitrag startet. Es geht zunächst um die Frage: Warum Zukunftsbauer?

Landwirtinnen und Landwirte kennen das allgegenwärtige Problem, dass zwischen gesellschaftlichen Wünschen und realem Verhalten eine große Lücke klafft. Gefordert werden Tierwohl, Umwelt-, Arten- und Klimaschutz. Zudem stellen Politik und Gesellschaft die konventionelle Landwirtschaft in den Verdacht, Verursacher von Umweltschäden zu sein, und fordern eine Transformation oder die Agrarwende ein. 

Doch im Supermarkt orientiert sich der Kunde nur am Preis und kauft lieber günstig statt nachhaltig ein. Die Landwirtschaft kritisiert dieses Verhalten und beschuldigt wiederum die Verbraucher und Politik der Ahnungslosigkeit. Zudem verteidigen Landwirte die in der Öffentlichkeit unbeliebten Produktionsweisen und fordern Verbraucher auf, zunächst ihren Konsum umzustellen beziehungsweise die Politik auf, sich  an den Anforderungen der Praxis auszurichten.

Dieses System der Anschuldigungen und Vorwürfe hat sich in unserer Gesellschaft  zementiert, da es alle Beteiligten in eine bequeme Rolle versetzt: Jeder kann die Schuld an den anderen weitergeben und muss sich nicht selbst verändern. Dieses „Schwarzer-Peter-Spiel“ bedeutet zunächst nur Stillstand, da jeder Veränderung an jemanden anderen weitergeben kann.

Das Projekt Zukunftsbauern will das zementierte System von gegenseitigen Anschuldigungen und Vorwürfen zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft aufbrechen. (Bild: Michaela Schöttner)

Existenzbedrohendes System

Für die landwirtschaftlichen Betriebe ist dieses System jedoch existenzbedrohend, da es den Kostendruck weiter erhöht und kaum Möglichkeiten für eine nachhaltige Betriebsentwicklung bietet. Auch die Umwelt leidet unter diesem System, weil die eigentliche Verantwortung für Umweltschäden immer weitergegeben wird. Das Projekt Zukunftsbauern setzt hier an, mit dem Ziel, das Spiel zu beenden und eine echte Veränderung im Sinne aller Akteure herbeizuführen. Da das Spiel vor allem durch gegenseitige Schuldzuweisungen und Vorurteile am Leben gehalten wird, müssen diese zuerst aufgehoben werden. Daher müssen wir zuerst verstehen, wie Vorurteile gegenüber der Landwirtschaft entstehen und was man ihnen entgegensetzen kann. Eine Studie im Auftrag des Deutschen Bauernverbandes, genannt Rheingold-Studie, hat diesen Sachverhalt untersucht und auf Grundlage von Umfragen Lösungsansätze entwickelt. Im zweiten Teil der Serie wird behandelt, welche Erkenntnisse sich daraus für das Projekt Zukunftsbauer ergeben.

Elsner 

(Folge 2)

Zukunftsbauern:  Die Macht  der Narrative

Im Projekt Zukunftsbauern spielen Narrative eine elementare Rolle. Doch was ist das eigentlich  und warum sind sie für gesellschaftliche Entwicklungen so wichtig? Mit welchen Geschichten  kann die Landwirtschaft arbeiten? Darum geht es im zweiten Teil der Artikel-Serie Zukunftsbauern.

Narrative sind Geschichten, die sich besonders schnell, ähnlich wie eine ansteckende Krankheit, in der Gesellschaft verbreiten. Durch ihre „Ansteckungsfähigkeit“ nehmen sie großen Einfluss auf die öffentliche Meinung. 

Entstehung und Hintergründe

Insbesondere gegenüber Minderheiten werden Narrative auf Grundlage von Vorurteilen entwickelt. Die eigentliche Geschichte entsteht dann durch Zuspitzung und Überzeichnung von zum Beispiel wahren Begebenheiten oder Einzelfällen. So kann nicht geleugnet werden, dass es in der landwirtschaftlichen Tierhaltung Fälle von Tierquälerei gibt. Die wiederum mit, in der Regel illegal aufgezeichnetem, Bildmaterial belegt werden können. Obwohl das noch lange nicht bedeutet, dass alle Landwirte Tierquäler sind, existiert das Narrativ, dass gerade konventionell Wirtschaftende Profit über Tierwohl stellen. So entsteht das Narrativ „Landwirte sind Tierquäler“. Im Wesentlichen gibt es noch drei weitere Narrative über die Landwirtschaft. Ihre Entstehung und Hintergründe werden in dem Buch „Zukunftsbauer – Über die Analyse und Gestaltung des öffentlichen Vertrauens“ ausführlich erläutert. Sie beschreiben nicht die  Realität oder das Selbstbildnis der Landwirte, vielmehr projizieren sie Ängste und Wünsche der Gesellschaft auf die Landwirtschaft. Wenn sich also die Bevölkerung um das Wohl der Tiere oder die Umwelt sorgt und die Landwirtschaft als Verursacher wahrnimmt, dann entstehen Narrative, die Landwirte als Umweltzerstörer oder Tierquäler darstellen. Ein anderes Narrativ über die Landwirtschaft nährt sich nicht aus einer Sorge, sondern aus einer Sehnsucht: Öko-Bauern stehen für einen positiven Umgang mit Boden, Pflanzen und Tieren. Oft wird mit ihnen auch ein idyllisches Familienbild verknüpft, das nicht vom modernen Alltagsstress geprägt ist. Hier spiegelt sich der gesellschaftliche Wunsch nach Entschleunigung und Naturverbundenheit wider. Narrative müssen also nicht immer negativ besetzt sein. Wenn sie gesellschaftliche Wünsche bedienen, dann können sie die öffentliche Meinung zu einem Thema oder einer Berufsgruppe positiv beeinflussen. Beim Projekt Zukunftsbauern geht es nun darum, die beschriebenen Narrative durch neue, positive Geschichten zu ersetzen, so dass Landwirte nicht mehr als Umweltzerstörer oder Tierquäler wahrgenommen werden. Diese Veränderung ist enorm wichtig, um das in Teil 1 beschriebene „Schwarzer-Peter-Spiel“ zu beenden.

Narrative werden von aussagekräftigen Bildern gestützt, die die Landwirte als fürsorgliche Tierhalter zeigen. Das Bild zeigt einen Fototermin für die neue Imagekampagne des BLHV. (Bild: Bernd Ringsdorf/Stijlroyal)

Welche Geschichten das beste Narrativpotenzial haben und welche eher nicht, darum wird es im dritten Teil der Serie gehen.

Elsner

Folge 3

Ernährer oder Zukunftsbauern

Landwirtinnen und Landwirte sehen sich selbst vorrangig als Ernährer und Versorger der Bevölkerung. Das betrachtet diese aber als selbstverständlich. Das Konzept des Zukunftsbauern geht daher andere Wege.

Im zweiten Teil der Serie „Zukunftsbauern“ wurden die gängigen Vorurteile über die Landwirtschaft beschrieben und erklärt, wie diese Einfluss auf das öffentliche Meinungsbild nehmen. Diese Fremdbilder, die sich über Narrative verbreiten, spiegeln nicht die Realität wider, sondern Wünsche und Sorgen der Bevölkerung. Landwirtinnen und Landwirte sehen sich selbst vorrangig als Ernährer und Versorger der Bevölkerung. Sie sorgen dafür, dass etwas zu essen auf den Tisch kommt und nehmen so eine besonders wichtige, systemrelevante Rolle in der Gesellschaft ein. Obwohl Essen und Lebensmittel lebenswichtig sind, erfahren Landwirte jedoch nicht die entsprechende Wertschätzung. Vielmehr vermittelt ihnen der Preisdruck auf ihre Produkte,  dass sie für ihre Arbeit schwindet. Während der Corona-Pandemie und sich abzeichnenden Lebensmittelengpässen rückte die Rolle des Ernährers vorübergehend wieder in den Fokus und bestätigte die Wichtigkeit dieser Funktion. Das war aber nicht von Dauer. Landwirtschaftliche Imagearbeit versuchte stets, positiv besetzte Narrative über die Landwirtschaft zu verbreiten, die die Landwirte als Ernährer oder Versorger darstellen. Diese konnten die in Teil 2 beschriebenen negativen Narrative jedoch nicht verdrängen. Auch das Narrativ, dass nur Öko-Landwirtschaft gut für Tier, Boden und Umwelt ist, blieb davon weitestgehend unberührt. Der Grund dafür ist, dass die Geschichte des Ernährers weder einen Wunsch noch eine Sorge der Bevölkerung bedient. Die Lebensmittelversorgung gilt in Deutschland als gesichert, auch jüngste Krisen konnten diese Sicherheit nicht erschüttern.  Die Bevölkerung muss sich also keine Sorgen um die Ernährung machen und noch weniger sehnt sie sich nach einer sichereren Versorgung, die ohnehin gegeben ist. Vielmehr sieht sie die Lebensmittelproduktion als eine selbstverständliche Aufgabe der Landwirtschaft an. Ähnlich wie man selbstverständlich erwartet, dass die Autoindustrie Autos produziert. Daher können Narrative, die die Landwirte als Ernährer darstellen, keinen Umbruch in der öffentlichen Wahrnehmung erzeugen. Die in dieser Serie bereits erwähnte Rheingold-Studie hat verschiedene Narrativ-Konzepte geprüft.  Das Konzept des Zukunftsbauern wurde von Landwirten und Verbrauchern positiv bewertet. Das liegt vor allem daran, dass sich Landwirte und Verbraucher dahingehend einig sind, dass die Landwirtschaft der Zukunft Ertrag, Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz in Einklang bringt beziehungsweise bringen muss. Im Konzept Zukunftsbauer werden Landwirte als fortschrittsoffene Fachleute gezeigt, die mehr wollen als reine Ertragssteigerung. Sie wollen auch  Tierwohl- und Nachhaltigkeitsaspekte in ihrer Betriebsentwicklung berücksichtigen. Was genau Zukunftsbauern ausmacht und mit welchen Geschichten sie in der Öffentlichkeit Werbung machen können, darum geht es im vierten und letzten Teil der Serie.

Landesbauerntag: Zukunftsbauern im Goldfischglas

Ein großer Programmpunkt beim BLHV-Landesbauerntag 2022 am 24. September in St. Georgen ist die Aussprache über das Projekt Zukunftsbauern. Dahinter steckt nicht nur eine einfache Podiumsdiskussion, wie man sie aus verschiedenen Veranstaltungen kennt. Der BLHV nutzt dafür eine neue Methode, die „Fischbowl“, übersetzt: Goldfischglas. Der Name leitet sich vom Aufbau der Diskussionsrunde ab. Im inneren Kreis, sprich im Goldfischglas, sind die Diskutanten und drumherum stehen oder sitzen die Zuschauer, die zunächst nur die Diskussion verfolgen. Im Innenkreis gibt es jedoch ein bis zwei leere Plätze, auf die sich  Zuschauer setzen und sich an der Diskussion beteiligen können. Haben sie ihre Fragen, Wünsche oder Ideen in die Runde eingebracht, geben sie den Platz wieder für die Nächsten frei. Diese spezielle Methode ist hervorragend dafür geeignet, um in kurzer Zeit möglichst viele Blickwinkel von Teilnehmern einzubeziehen. Zudem können alle Gäste ihre Fragen und Anregungen auch digital einbringen. Dafür wird die bewährte Slido-App genutzt. Ziel der Aussprache ist, erste Handlungsfelder für den Verband im Projekt Zukunftsbauern zu entwickeln und auch ein Zeichen an Politik und Gesellschaft zu setzen. Dafür sollen  erste Ergebnisse direkt an Ministerpräsident Winfried Kretschmann übergeben werden, der im Anschluss an die Aussprache über seine Vision der Landwirtschaft sprechen wird. Alle BLHV-Mitglieder, die sich an der Diskussion beteiligen wollen, sind herzlich zum Landesbauerntag eingeladen. Anmeldeunterlagen gibt es hier: Landesbauerntag am 24. September in St. Georgen – BLHV

Folge 4

Die Bilder der Zukunftsbauern

Im letzten Teil der Serie geht es um konkrete Beispiele für das Narrativ-Konzept „Zukunftsbauer“. So ist ein wichtiges Element, dass Zukunftsbauern modernste Technik mit Tradition harmonieren lassen.

Allgemein geht es darum, die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft in den Vordergrund der öffentlichen Wahrnehmung zu stellen und damit bewusst einen Kontrapunkt zum öffentlichen Meinungsbild zu setzen, das die Landwirtschaft als rückständig und eher konservativ einschätzt.

Von einer zukunftsfähigen Landwirtschaft wird erwartet, dass sie Nachhaltigkeit und Effizienz vereint, also den besten Ertrag bei möglichst geringen Umweltschäden erzielt. Das entspricht in großen Teilen auch dem Konzept der ökologischen Intensivierung, welches von vielen Agrarwissenschaftlern begrüßt wird.

Moderne Technik und Tradition

Ein wichtiges Element des Narrativs der Zukunftsbauern ist, dass sie modernste Technik mit Tradition harmonieren lassen. Hierfür gibt es bereits jetzt Beispiele aus der Praxis, die für viele Landwirtinnen und Landwirte schon zum Alltag gehören. Zum Beispiel die Rehkitzrettung mit Drohnen vor der Mahd oder  „Precision Farming“: Hier wird traditioneller Ackerbau durch modernste Technik so weiterentwickelt, dass möglichst wenig Pflanzenschutz- und Düngemittel eingesetzt werden, um einen optimalen Ertrag einzufahren.

Aus seiner Arbeit als Pressesprecher weiß der Schreiber dieser Zeilen, dass oben genannte Themen bei Journalisten sehr gefragt sind, da sie sich sehr gut für „Geschichten“ über die Landwirtschaft eignen. Das belegt, dass diese Themen von der Gesellschaft gerne aufgenommen werden. Auch erhalten Landwirte, die solche Methoden einsetzen, eine besondere Wertschätzung, da sie sich bemühen, neue Wege für eine bessere Zukunft zu finden. Dass sie dafür auch ein gerechtes Einkommen brauchen, ist selbstverständlich.

Agri-Photovoltaik ist fast ein Idealbild

Fast schon ein Idealbild von Zukunftsbauern zeigt sich in der Agri-Photovoltaik. Strom und Lebensmittel auf der gleichen Fläche zu erzeugen und somit einen Beitrag für die Energiewende und Lebensmittelversorgung zu leisten, dafür zeigt die Gesellschaft größte Wertschätzung und Anerkennung. Die Agri-Photovoltaik kann daher Ausgangspunkt eines Zukunftsbauern-Narrativs sein, das sich schnell in der Gesellschaft verbreitet und das Bild einer zukunftsorientierten Landwirtschaft stützt. Dafür ist es nicht notwendig, dass Agri-Photovoltaik in der Fläche umgesetzt wird. Einzelprojekte reichen schon aus, um dieses Narrativ mit Leben zu füllen. Es gibt viele weitere Beispiele, die das Konzept Zukunftsbauern unterstützen und die schon jetzt umgesetzt werden. Eines davon   bietet das „Strohschwein“: eine Schweinehaltung, die nicht dem ökologischen Standard entspricht, sich aber trotzdem von konventioneller Haltung abhebt, mit dem Ziel, Wirtschaftlichkeit und Tierwohl zu vereinen. Auch das zahlt auf das Konto der Zukunftsbauern ein.

Elsner